Indian Summer im Pacific Northwest

Im Oktober erwarteten uns im Pazifischen Nordwesten ein richtiger Altweibersommer (Indian Summer), herrliche Wasserfälle und traumhaftes Herbstlaub.Mit “etwas” Verzögerung hier nun endlich ein Resümee unserer letzten Tour durch den Nordwesten (ohne die lange Zugfahrt an die Nordsee vorletzte Woche hätte es wohl noch länger gedauert…). So wie bereits im Juni 2011 ging es auch im Oktober wieder von San Francisco hinauf nach Seattle. Allerdings nicht nur an der Pazifikküste entlang sondern zum Großteil im Landesinneren. Es gab (und gibt…) in der gesamten Gegend noch sehr viel, das wir sehen und fotografieren möchten. Und wie auch schon die letzten Male sollte es eine Mischung aus Fototrip, Recherchetour und Erholung sein – anders als im Spätfrühling kam nun dank der längeren Nächte auch der letzte Punkt nicht zu kurz. :)

Alles begann mit einem Dejá-(mehrfach)-vue. Diesmal war es kein isländischer Vulkan oder zu dichtes Schneegestöber, sondern nur das übliche hohe Verkehrsaufkommen am Frankfurter Flughafen. Und da spielt so ein kleiner Flieger aus Dresden eher eine recht untergeordnete Rolle. Mit weit über einer Stunde Verspätung hoben wir ab, drehten noch ein paar Runden am Himmel über Frankfurt und durften erst dann an einer der äußersten Außenstellen aussteigen, als bei unserem Flug nach San Francisco schon längst geboarded wurde. Aber im Gegensatz zum Frühling kam nun die böse Überraschung! Dieses Mal stand kein eigener Shuttlebus bereit, es war vielmehr ein Dauerlauf vom Ende des Terminals A bis zum Gate C14 angesagt, bei dem es mir gegen Ende schon fast egal war, ob wir den Anschlussflug nun noch schaffen oder nicht. Vor allem als die Security dann auch noch Steffens Fotoequipment einer Endlosinspektion unterzog… 10 Minuten vor offizieller Abflugszeit rannten wir schließlich über die Brücke und waren die folgenden Stunden wieder “Unterwegs im A380“.

Nach Ankunft und überstandener “Immigration” folgte ein unglücklicher Blick auf das Laufband der Gepäckausgabe. Unser zweiter Koffer hatte es nicht geschafft. Eigentlich schon erstaunlich genug, dass es überhaupt einer geschafft hatte! Da wir unsere Stative immer aufteilen, hatten wir trotzdem Glück im Unglück und wenigstens ein Stativ für den Sonnenuntergang am ersten Abend. Zumindest theoretisch… In der Praxis haben wir es dann aber geschafft auch dieses in unserem Quartier in Sausalito zu vergessen. Aufgefallen ist uns das aber erst, als wir wieder in Richtung San Francisco an der Mautstelle standen. Irgendwie waren wir noch ordentlich durch den Wind… ;)

Aufgrund totaler Wolkenlosigkeit blieben die Fotoapparate aber ohnehin im Rucksack und an der Baker Beach begeisterte uns schon bald etwas ganz anderes: San Francisco wie vor 40 Jahren! Ein Pärchen stand im seichten Wasser, sie trug nichts außer einer Blume im langen Haar und er hatte nur eine Gitarre mit dem rotgelben Blümchenband um den Hals und spielte ein Lied. Leider nicht “If you’re going to San Francisco, be sure to wear some flowers in your hair“, aber das wäre dann vermutlich schon zuviel des Kitsches gewesen. :)
Über den schlanken, gut gebauten Mann gleich nebenan, der nur mit Sonnenbrille und Cowboyhut ausgestattet war, verliere ich lieber keine weiteren Worte, denn der begeisterte Steffen seltsamerweise nicht so sehr wie mich… ;;) O:-)

Apropos Highlight… erstaunlicherweise gab es am Ankunftstag auch bei Alamo eines! Bzgl. 4WD SUVs zählt San Francisco neben L.A. zu den wohl schlechtesten Anmietstationen im Westen der USA. Amüsiert verfolgten wir, wie neben uns ein Norweger dem Herrn am Schalter erklärte, dass er unbedingt einen Midsize SUV mit 4WD bräuchte, weil er in Escalante einige Backroads fahren möchte! Nun, ich schätze mal, der Alamo-Mitarbeiter hatte keine Ahnung, wovon er sprach… :D

Interessanterweise bekam der Kunde seine 4WD-Garantie, aber erst nach einem kostenpflichtigen Upgrade in die Standard-SUV-Klasse! Einen 4WD wollten eigentlich auch wir, aber ohne Aufpreis! Draußen in der Choice Line – wie zu erwarten – nur zwei eher miserable PKW-artige “nicht 4WDs”. So klagte ich einer Angestellten mein Leid, wie “scary” die vereisten Straßen letztens in den hohen Bergen waren usw usw… :-@ … Sie beeindruckte mein Geplapper offensichtlich wenig, aber ein zweiter Angestellter hatte mitgehört. Dieser kam dann zu mir, lächelte lieb und meinte, dass er gerade einen 4WD für uns bestellt hat. Und tatsächlich stand wenige Minuten später kein Midsize sondern ein Standard SUV vor uns und zwar so ziemlich der beste und auch optisch schönste Wagen, den wir je hatten! Ein Jeep Grand Cherokee, 4WD, anthrazit metallic Lack, Goodyear Reifen mit gutem Profil, Temperaturanzeige (30°C am 13.10!), integrierter Kompass und als wir das Radio einschalteten, war die Freude noch größer: 80s on the 8, 90s on the 9… Hurra, wir hatten endlich wieder Satellitenradio! :dance:
Glücklich und zufrieden stiegen wir ein und fuhren los. Gerecht geht es bei Alamo nicht immer zu, aber wir waren mit dem Kundenservice mehr als zufrieden! ;)

Da sich unser einziges Stativ noch im Quartier in Sausalito befand, beschlossen wir zurückzufahren und notgedrungen den ersten Sonnenuntergang an den Aussichtspunkten entlang der Conzelman Road zu verbringen. Aber wie befürchtet, ganz umsonst mit dem schönen Abendrot im Rücken und einer wolkenlosen Blauen Stunden… Es kann ja nicht immer gleich direkt nach dem langen Flug eine Second Beach oder eine Rodeo Beach entstehen… :( ;)

Der Sonnenaufgang am ersten Morgen von der Conzelman Road - Blick auf San Francisco durch die Golden Gate Bridge

Fantastischer Sonnenuntergang beim Arched Rock an der Sonoma Küste nördlich von San Francisco

California Dreaming - an den endlosen Stränden in der Point Reyes National Seashore könnte ich stundenlang spazieren gehen. Meeresluft, Erholung und ein paar Fotos...

Aufgrund des warmen Wetters waren dichte Nebelschwaden unsere ständigen Begleiter an der Pazifischen Küste. Stimmungsvoll ist er ja mancherorts, aber nur so lange er nicht zu dicht ist. Dieser Fotograf hatte wahrscheinlich seine Ausrüstung ganz umsonst beim Point Arena Lighthouse aufgebaut, denn die Suppe wurde an dem Tag nur noch grauer…

So machten wir uns auf die Suche nach einem interessanten Vordergrund, wenn uns dichter Nebel (wieder mal...) schöne Beams durch Meeresfelsbögen vermasselte... ;-(

… oder konzentrierten uns vorrangig auf die Details wie z.B. hier an der Bowling Ball Beach...

Dass der Sonnenaufgang am nächsten Morgen genauso wolken- und nebellos war, enttäuschte dann doch etwas, dafür überraschten uns die Hausboote von Sausalito. Es ging aber gleich wieder weiter, denn wir hatten viel vor entlang der wilden Küste Nordkaliforniens. An den herrlichen, eher einsamen Stränden der Point Reyes National Seashore könnte ich tagelang spazieren/backpacken, an der Sonoma Coast rund um Jenner genossen wir einen überraschend genialen Sonnenuntergang und anschließend noch viele schöne Stunden im Salt Point State Park und an der Bowling Ball Beach. Leider hatten wir an den darauffolgenden Tagen – ganz im Gegensatz zum Frühling – oft sehr dichten Nebel und das meist ausgerechnet zu den unpassendsten Momenten: beim Besuch von Leuchttürmen und in der hübschen Ortschaft Mendocino oder dann wann die Sonne beamartig durch so manchen Arch untergehen hätte sollen usw, usw. Es war einfach viel zu warm noch, ein typischer “Altweibersommer” (Indian Summer) hatte die Region fest im Griff.

Schweren Herzens kürzten wir unseren Aufenthalt ab, ließen gleich etliche Küstenabschnitte aus und widmeten uns mehr dem Landesinneren. Dort begeisterten uns am meisten der Blick auf die Painted Dunes vom Cinder Cone im Lassen Volcanic N.P., einige ausgedehnte Wüsten- und Salzebenen Südoregons sowie der Smith Rock State Park, bei dem wir morgens endlich die genialen Wolken hatten, die wir bislang bei dieser Reise oft so kläglich vermissten.

Schließlich blieb aber nur die Flucht ins Landesinnere, wo der dichte Morgennebel aber durchaus auch seine schönen Seiten hatte.

Oregon begrüßte uns mit Schönwetterwölkchen und die Welt war wieder in Ordnung. :-)

Und über die fantastischen Wölkchen früh morgens im Smith Rock State Park freuten wir uns ganz besonders, da wir dort ja schon mehrfach nicht so tolle Bedingungen hatten. Nach dem Fotoshooting gab es noch ein paar Souvenirbilder und ausreichend Zeit um sich am kleinen Kletterfelsen beim Campground etwas auszutoben… :-)

Über eine Reihe herrlicher Wasserfälle – darunter die schönen Lower Proxy Falls – führte uns die Reise weiter nach Portland und von dort dieses Mal an die Nordseite der Columbia River Gorge. Bei unserem Besuch der Panther Creek Falls sowie der Falls Creek Falls durften wir jeweils die Ponchos und Regenschirme auspacken. Danach war das Wetter allerdings bald schon wieder viel zu sonnig für Wasserfälle, so dass es ein zweites Mal an die Küste hinaus ging. Auch in Oregon erwarteten uns am Pazifik – wie schon zuvor in Kalifornien – ausgesprochen warmes Herbstwetter, dichter Nebel zu Sunset und – mit Ausnahme des Seal Rocks S.P. – meist wolkenlose Sonnenaufgänge. Wie oft wir diese Reise den Wecker ganz umsonst gestellt haben, das möchte ich lieber nicht nachzählen. Was für ein Kontrast zu all dem Drama, das sich im Frühling immer am Himmel abspielte!
Laut Aussage eines Bekannten, der im Nordwesten wohnt, dauert der “Indian Summer” normalerweise rund eine Woche an. Aber genau wie es in Deutschland einen außergewöhnlich milden und trockenen Herbst gab, so hatten wir auch in Oregon und Washington 3 Wochen strahlenden Sonnenschein und nur an 2 Tagen war etwas regnerisch. Jeder normale Tourist hätte sicher gejubelt!

Apropos austoben... die Durchquerung dieses Sea Arches war ja noch relativ harmlos zu dem, was dann noch kam...

Wenn man(n) sich in den Kopf gesetzt hat, irgendwelche Felsen draußen am Meer zu fotografieren, dann muss es auch so sein...

...selbst wenn frau dann ruhelos mit dem 400mm-Objektiv das Treiben verfolgt und man(n) mitsamt Fotoausrüstung wieder mal ein Vollbad nimmt... (Suchfoto mit Steffen!)

Mit der Brandung in Shore Acres ist nicht zu spaßen (Suchfoto mit zwei Fotografen auf dem Felsen rechts von der großen Welle)

REGEN - davon blieben wir nahezu verschont während der 3 Wochen im Nordwesten

Leider haben wir dadurch aber auch so herrliche Wolken zum Sonnenaufgang oder -untergang dieses Mal ebenfalls nur selten gesehen. Hier eine der wenigen Ausnahmen abends an der Bandon Beach.

Im Nachhinein betrachtet, kam unsere Entscheidung erneut in die Columbia River Gorge zu fahren, leider viel zu spät, zumal die tiefstehende Herbstsonne an der Südseite des Columbia River kaum über die hohen Berge schien und so beim Fotografieren nicht störte. Zum Glück verbrachten wir wenigstens die letzten zwei Tage dort. Für Steffen waren es die zwei schönsten des gesamten Urlaubs und für mich wohl auch. War das Herbstlaub zuvor im Silver Falls State Park noch etwas enttäuschend (eher braun als gelb oder rot), so sahen die Wanderwege in der Gorge noch viel traumhafter als im Frühling aus. Worte und Fotos können der Schönheit dieses Märchenwalds kaum gerecht werden. Die Kombination aus üppigem Grün, moosbehangenen Ästen und großen, golden leuchtenden Ahornblättern, die nicht nur Bäume schmücken sondern als weicher Teppich auch sämtliche Wanderwege überziehen, ist einfach unbeschreiblich! :x

Die Wanderwege in der Columbia River Gorge waren traumhaft!

Riesige Ahornblätter brachten sämtliche Wege und Wasserläufe zum Leuchten.

Wohin man auch sah, unglaublich schönes buntes Herbstlaub. Fall foliage vom Feinsten!

Herbstlaub ist immer wieder ein dankbarer Vordergrund, selbst bei Wasserfällen, die im Frühling nicht so fotogen sind wie z.B. der Horsetail Fall in der Columbia River Gorge.

Die Wasserfälle führten zum Teil deutlich weniger Wasser, aber das war bei einigen nicht gerade von Nachteil und das allgegenwärtige Laub bot ungleich mehr Möglichkeiten zur Motivgestaltung. Ganz zu schweigen vom Nebel, der abends hin und wieder in die Seitenschluchten der Gorge zieht. Viel Wasser floss durch die Oneonta Gorge. Aus der Engstelle hatte es Teile der Sandbank weggespült, so dass einem das Wasser nun im wahrsten Sinne des Wortes bis zum Halse stand. Da nutzte auch eine Neoprenhose nicht viel…
Ein kleines Highlight erwartete uns direkt am Eagle Creek Trailhead Parkplatz. Dort hatten sich die Lachse im Flussbett versammelt und sie sprangen unter den Augen der staunenden Besucher immer wieder aus dem Wasser. Wenige Tage nach unserer Rückkehr schwammen sie an anderer Stelle sogar über die Straße (Video).

Die Ponytail Falls führten zwar im Herbst deutlich weniger Wasser, die Umgebung begeisterte uns aber durch ihren Farbrausch.

Im Silver Falls S.P. leuchtete das Herbstlaub leider nicht überall so schön wie in der Columbia River Gorge. Angeblich hatten Trockenheit, Regen und starke Sonneneinstrahlung dieses Jahr viele Blätter verbrannt.

Immer wieder ein Erlebnis ist die Wanderung entlang des Eagle Creek, wenn sich etwas Nebel in die Schlucht legt - hier bei den Metlako Falls.

Wie schon während der letzten Aufenthalte in der Gorge übernachteten wir wieder im Holiday Inn Express in Troutdale. Auch sonst sind wir unseren liebgewonnen Quartieren mehrfach treu geblieben, so zum Beispiel dem Best Western Suites bei der Face Rock Wayside in Bandon (nach wie vor eine der Lieblingsunterkünfte von Steffen) und dem Gualala Country Inn, wo wir während des Frühstücks beobachen konnten, wie im Garten auch die kleinen “Huscheln” ihren morgendlichen Appetit stillten. Im Sommer sollen es oftmals an die 50 Kolibris sein, die sich dann zwischen den Blumen tummeln. Die Eigentümerin dieses B&B ist ausgesprochen nett und erzählte uns noch allerhand Interessantes über die Wettereigenheiten an der Nordkalifornischen Küste, über die zu einer “bestimmten Erntezeit” recht abenteuerlichen Indianerreservate im Landesinneren sowie einiges über die Unterschiede zwischen B&Bs in den USA und England.
Zelt und Schlafsäcke blieben dieses Mal unbenutzt, aber nicht unbemerkt. Beim Rückflug schlugen sie mit 70 USD zu Buche. Den tax free Outlets in Oregon kann man selbst als bekennende Nicht-Shopper nur schwer widerstehen und der dritte Koffer bei Lufthansa ist leider erneut teurer geworden…

Im Gegensatz zum letzten Frühjahr hatten wir auch etwas Zeit zum Relaxen und zum Essengehen...

Warum wir uns hier aber ausgerechnet zu Burger King verirrten, weiß ich nicht mehr so recht. Muss wohl an der hübschen Krone gelegen haben... ;-)))

Bei Starbucks hingegen waren wir regelmäßig anzutreffen, auch wenn die manchmal meinen Namen recht schlimm *verwordakelt* haben... :-( ;-)

Noch schlimmer und wohl kaum zu übertreffen war aber dieses Klopapier, das uns gleich am allerersten Abend im Badezimmer begrüßte. Bin neuerdings eine unregistered trademark... reißfest, hypoallergie-getestet und ... 0-lagig! ;-)))

Fazit: Der Pazifische Nordwesten hat (trotz etwas Fotofrust an der Küste) auch jetzt noch nichts von seiner Faszination eingebüßt. Wir waren hoffentlich nicht zum letzten Mal dort, soviele Wasserfälle müssen noch besucht werden und an einer Reihe eher unzugänglicher Buchten stehen uns noch etliche Nächte im Zelt bevor. Bei einem längeren, warmen Hoch werden wir die Pazifikküste allerdings zukünftig sicher eher meiden. Wie Norbert Rosing in seinem Vortrag “Wildes Deutschland” kürzlich so schön meinte, schlechtes Wetter ist meist das beste Fotowetter, das man sich wünschen kann. Und so sehnen wir uns auch jetzt schon wieder – zwar nicht nach Regen ;) – aber doch nach einer etwas “launischeren” Pazifikbrise.

Die Bilder der Indian Summer Tour folgen in Kürze, hier noch eine Übersicht der alten und neuen Berichte aus dem Pacific Northwest: