Geoglpyhen im Südwesten der USA

Von den mysteriösen Nazca-Linien in Südamerika haben sicher die allermeisten von euch schon mal gehört. Die im Schatten der peruanischen Anden großflächig in den Erdboden eingeritzten Spiralen, “Astronauten” oder Abbilder von Kolibris, Affen, Spinnen und anderen Tierarten sind berühmt und zählen zum UNESCO-Weltkulturerbe. Was ich aber bis gestern nicht wusste: Die präkolumbianischen Kulturen haben im Südwesten der USA ebenfalls jede Menge solcher Scharrbilder geschaffen. Über 200 sollen es sein und einige davon sind faszinierend! Ganz lieben Dank an dieser Stelle für die vielen Infos und GPS-Koordinaten an Martin!

Ähnlich wie in Peru, war es auch in Südkalifornien ein Pilot, der Anfang der 1930er-Jahre die Geoglpyhen aus der Luft entdeckte. Die Bezeichnung lässt sich aus dem Altgriechischen herleiten und bedeutet: “Geo” = Erde und “Glyphos” = das Ausmeißeln. Die größten dieser Kunstwerke messen bis zu 200 m, wobei die einzelnen Rillen meist nur eine Breite von bis zu einem Meter aufweisen. Mein Favorit ist der über 80 m große Kokopelli unweit der Draker Road westlich vom Blythe Airport (33.62891, -114.75360; Kartenausschnitt unten zum Rein- und Rauszoomen). Dieser bucklige, tanzende Flötenspieler ist als Motiv im US-Südwesten weitverbreitet und wurde von den Ureinwohnern immer wieder gern in Steine und Felswände geritzt (-> Kokopelli-Petroglyphe; “Petros” = Stein). Kurios auch das grimmige Gesicht und der 5 m große Fußabdruck gleich nebenan (MAP). Ganz in der Nähe verbirgt sich außerdem noch ein Pfeil (MAP) sowie ein kleines Maxerl (MAP).

Was man damit bezwecken wollte, bleibt selbst für die modernen Archäologen weitgehend ein Mysterium. Auch das Datieren fällt vielerorts nicht leicht. Man schätzt sie sind zwischen 900 v. Chr. und 1200 n. Chr. entstanden. Ähnlich wie in der Nazca-Wüste (800 v. Chr. bis 600 n. Chr.) dürfte es sich im Südwesten der USA um die Aktionsflächen von Fruchtbarkeitsritualen handeln. Man geht davon aus, dass Klimaschwankungen und längere Dürreperioden, unsere Ahnen dazu veranlasst haben, die Götter um Gnade und um Regen zu bitten. Der Kokopelli gilt als religiöses Symbol und wird mit der Fruchtbarkeit der Böden und der Menschen in Zusammenhang gebracht. Anderen Geoglyphen dienten vermutlich auch zu Navigationszwecken oder als Hinweis zu Wasserquellen.

Wer sich fragt, was diese vielen Doppellinien auf dem Satellitenbild oben darstellen sollen: Diese sind leider neueren Datums. Die Wüstenebenen sind beliebt bei den Einheimischen, die mit ihren ATVs querfeldein über jeden Stock und Stein brettern – und somit auch über die alten Kunstwerke… Man erkennt sie vom Boden aus aber auch kaum!
Die unter dem Namen “Blythe Intaglios” bekannten zoo- und anthropomorphen Wesen wurden als “Historical Landmark” zum Glück rechtzeitig eingezäunt, wie man auf diesen Fotos oder in diesem Video aus der Vogelperspektive gut sehen kann. Die fünf “Giant Desert Figures” sind bis zu 50 m groß und liegen in drei voneinander getrennten Bereichen an der US-95 etwa 15,5 mi nördlich von Blythe und der Abfahrt #241 von der Interstate 10 (33.80027, -114.53135; MAP).

Die meisten dieser Geoglyphen sind vor allem im Lower Colorado River Valley an der Grenze von Südkalifornien und Arizona angesiedelt. Neben Blythe, wurden auch die Wüstenböden rund um die Ortschaften Yuma, Parker und Quartzsite auf wundersame Weise verziert. Einige Scharrbilder sind weniger aufregend oder schon ziemlich erodiert, dazu zählen die Parker Snake (34.12368, -114.07251; MAP), die Quartzsite Figures (33.65205, -114.2371; MAP) oder die Ripley Group (33.48053, -114.59698; MAP). Der Bouse Fisherman (33.79068, -114.09446; MAP) lässt sich auf Satellitenbilder nicht so recht erkennen, auf alten Fotos hingegen schon besser. Auch weiter nördlich am Colorado River ist noch einiges versteckt wie z.B. die durchaus interessanten Fort Mohave Twins (35.00939, -114.60827; MAP):

Schon sehr faszinierend, vor allem wenn man bedenkt, dass Menschen damals keinerlei Möglichkeit hatten, sich das gesamte Kunstwerk anzuschauen! In den Anden konnte man wenigstens einige von einem höheren Standpunkt aus betrachten, aber beim eingangs erwähnten Kokopelli bei Blythe existiert weit und breit keine Erhebung, von der dies möglich gewesen wäre. Eine durchaus beachtliche Leistung, wie man unter diesen Bedingungen derart große Figuren durch gezieltes Abtragen der oberen Erdschichten erschaffen konnte!

Über 5.000 liegen allein in der Atacama-Wüste in Nordchile verstreut, darunter der 85 m große Gigante de Tarapacá. Solch monumentale Scharrbilder sind aber nicht auf den amerikanischen Kontinent begrenzt, sondern weltweit zu finden. Selbst in Australien wurde – von wem auch immer – ein gigantisches Werk hinterlassen, der gut 3 km große Marree Man.
Heutzutage kann sich im Prinzip jeder als Forscher betätigen, zumal es mittlerweile einen denkbar einfachen Weg gibt, sie zu entdecken: das Absuchen von Satellitenbildern! So fand man mit Hilfe von Google Earth z.B. erst 2007 riesige, bis zu 8.000 Jahre alte geometrische Figuren in Kasachstan, die nun als “Steppengeoglyphen” bekannt sind. Auch durch Rodungsarbeiten im Amazonasgebiet wurden allerlei kreisförmige und quadratische Erdbilder freigelegt und erst in diesem Jahrtausend erforscht.
Eventuell eine Beschäftigungstherapie in Corona-Zeiten oder zumindest so lange man vor allem nur “digital unterwegs” sein darf…!? ;)
Und vielleicht auch eine Inspiration für zukünftige USA-Reisende, die eine Drohne besitzen! Das wären definitiv ein paar “etwas andere” Motive! ;)
Martin, ich bin schon sehr gespannt auf deine Fotos und Videos!