Der Kalifornische Kondor – eine Erfolgsgeschichte im amerikanischen Südwesten
Der Kalifornische Kondor breitet wieder erfolgreich seine Schwingen aus. Ende der 1980er-Jahre galt er in freier Wildbahn als ausgestorben. Mit den damals noch knapp zwei Dutzend lebenden Tieren wurde äußerst erfolgreich ein Aufzuchtprogramm gestartet und ihre Nachkommen am Big Sur, im Pinnacles Nationalpark, in Baja California und in den Vermilion Cliffs ausgewildert. Mittlerweile gibt es dort wieder einige Hundert von ihnen. Und wenn man weiß wo, kann man sie sogar aus nächster Nähe beobachten. Die Condor Viewing Site an der House Rock Valley Road ist zwar bekannt, aber nicht unbedingt die beste Adresse dafür. Dort lassen sie sich – wenn überhaupt – nur aus großer Distanz mit dem Fernrohr erahnen. Bei unserer letzten Fototour durch den US-Südwesten im April/Mai 2019 haben wir aber (eher durch Zufall) eine andere richtig tolle Stelle gefunden:
Eigentlich wollte ich für die Reiseführer nur schnell ein paar Fotos von der Schlucht des Colorado Rivers bei der Navajo Bridge an der 89A zwischen Page und dem Grand Canyon North Rim aufnehmen, als mir auffiel wie einige Leute auf der Fußgängerbrücke neugierig nach unten blickten. Dort saß ein schwarzer Federknäuel auf dem Metallgerüst der Brücke, keine 5 Meter von uns entfernt. Aufgrund seines Aussehens war uns schnell klar, dass es sich um einen Kalifornischen Kondor handeln musste. Wir hatten die Tiere vor einigen Jahren bereits am Grand Canyon bei den “Condor Talks” gesehen (von Ranger veranstaltet, sehr interessant und empfehlenswert! -> nähere Infos). Und dabei blieb es nicht, es gesellten sich weitere Tiere dazu und nur wenig später gab es richtig Action: Wie man es von Geiern gewöhnt ist, zogen sie gemeinsam ihre Kreise am Himmel oberhalb der Brücke und des Marble Canyon. Einige schwebten sogar knapp über unsere Köpfe hinweg, andere zischten mit ordentlichem Tempo zwischen die Brückenpfeiler hindurch und einer ließ sich sogar am Geländer der 89A-Autobrücke nieder. In Summe waren es fünf Stück – welch toller Anblick, aber mit Fotos nur schwer wiederzugeben!
Es waren zwei Jungtiere und drei Altvögel. Letztere erkennt man ganz leicht an ihrem auffälligen orangeroten Kopf. Alle tragen Nummern, so kommt man auch gar nicht erst in die Verlegenheit die kleineren und schwarzköpfigen Jungtiere mit den normalen Truthahn- oder Rabengeiern (Turkey bzw. Black Vulture) zu verwechseln. In dieser Liste kann man nachschauen, wie alt einige der gekennzeichneten Vögel sind und woher sie stammen.
Bis zu 17 gleichzeitig in der Luft hatte angeblich die Mitarbeiterin des Navajo Bridge Interpretive Center schon mal gesehen. Und man glaubt es ihr gern angesichts der vielen Fotos, Poster und Postkarten, die in diesem Gebäude beim Parkplatz an der Westseite der Brücke ausgestellt sind. Sie verriet uns auch, dass wohl der Winter/Frühling die beste Jahreszeit für Kondor-Beobachtungen am Marble Canyon sei. In manchen Jahren nisten sie sogar in Sichtweite in den steilen Klippen unterhalb der beiden Brücken. Den Sommer über halten sich die Vögel dann bevorzugt am Südrand des Grand Canyons auf. Mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,9 m ist der Kalifornische Kondor der zweitgrößte Vogel der Welt. Nur der Andenkondor, eine in Südamerika beheimatete Geierart, kann ihn übertreffen (über 3 m). Bei günstiger Thermik gleiten diese Vögel auf der Suche nach Nahrung mit flotten 88 km/h bis zu 160 km weit. Mit Hilfe von GPS-Peilsendern findet eine totale Überwachung statt. So werden ihre Gewohnheiten erforscht und alle Infos über ihren Aufenthaltsort, Flugweiten, -geschwindigkeit und -höhe gesammelt.
Ihr Verbreitungsgebiet reichte einst von Mexiko bis hinauf nach British Columbia und hinüber bis nach New York und Florida. Bis die bleihaltige Munition der Jäger den Aasfressern zum Verhängnis wurde. Dieser Gefahr ist die Kondor-Population aber auch heute noch ausgesetzt. In Kalifornien wurde dieses Gift zwar per Gesetz aus den Jägerkugeln verbannt, in Arizona und Utah geschieht der Verzicht auf Blei leider nur auf freiwilliger Basis. Die Niederlassung des Peregrine Fund in der Nähe von Cedar City ist daher schwer beschäftigt, die Tiere regelmäßig einzufangen, sie zu untersuchen und wieder mit einem aufwendigen Verfahren zu entgiften.
Auch wenn schon große Fortschritte erzielt werden konnten, so ist das Überleben dieser Vogelart leider noch nicht gesichert und sie ist noch immer als “kritisch gefährdet” gelistet. Ende 2018 zählte man 488 Tiere, davon lebten 312 in Freiheit. Mittlerweile sind es wohl schon über 500. Weitere Details zum Aufzuchtprogramm hier sowie hier. Kondor-Paare bleiben ein Leben lang zusammen und werden bis zu 60 Jahre alt. Ihr erstes Ei legen sie erst im Alter von 6-7 Jahren. Auch muss eine möglichst gute Durchmischung des Genpools gewährleistet bleiben. Die Aufzucht und Wiederansiedlung ist also ein recht langwieriges und kostspieliges Unterfangen. Nachdem 1987 die letzten wild lebenden Kondore eingefangen wurden, freute man sich zwar ein Jahr später bereits über den ersten Nachwuchs, aber mit der Auswilderung der Jungtiere konnten erst ab 1992 in Zentralkalifornien begonnen werden (bei den Vermilion Cliffs ab 1996).
Eine große erste Erfolgsmeldung gab es 2003, als nach vielen Jahren erstmals wieder ein junger Kondor in freier Wildbahn flügge wurde. Letzte Woche feierte man in der US-Presse dann das 1000. “condor chick” seit Beginn des Aufzuchtsprogramms. Es war im Zion Canyon geschlüpft – in den Klippen unweit des populären Wanderwegs Angels Landing. Seine Mutter stammt aus dem San Diego Zoo und der Vater aus den Peregrine Fund Labors in Boise, Idaho. Ich kann gut verstehen, wieso sie sich ausgerechnet den Zion Nationalpark als neue Heimat ausgesucht haben.
Aber sie sind mittlerweile nicht die einzigen dort. Am besten lassen sich die Kondore in dem Park den Sommer über beobachten (u.a. auch von der Kolob Terrace Road).
Nach unserem Besuch hielten wir auf der Weiterfahrt noch an der eingangs schon erwähnten Condor Viewing Site kurz an. Dort saßen zwei Amerikaner, die an der überdachten Picnic Area schon seit Stunden vergebens auf einen Kondor warteten. Nachdem ich ihnen von den Vögeln bei der Navajo Bridge erzählte, packten sie gleich ihre Sachen und machten sich auf den Weg. Natürlich kannten sie den Marble Canyon, waren aber – wie wir so oft schon – einfach nur daran vorbeigefahren. Ab sofort werden wir dort aber immer einen kurzen (oder längeren…) Stopp einlegen. Einige von Euch jetzt vielleicht auch…!?
Wow! So toll. Wir haben sie 2016 auch schon mal an der Navajo Bridge gesehen. Leider hatte ich “nur” ein 200 mm Objektiv. Mega tolle Bilder sind Euch da gelungen!!! :-)
Liebe Grüße
Sylvia
Lieben Dank, Sylvia!
Viele schöne, erlebnisreiche Reisen noch! :-)