Polarlichter in Spanien

Und da stehen wir am Parkplatz von der Playa de Guadamia und können es nicht fassen: Jetzt verfolgen uns die Polarlichter sogar bis nach Spanien! :-)))Ja, es gibt sie – Polarlichter in Südeuropa!
In der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 2024 waren sie sogar noch auf den Kanarischen Inseln zu sehen, wie ein Foto von Efrén eindrucksvoll zeigt. Er wollte eigentlich “nur” Tajinastes mit Startrails im Teide Nationalpark fotografieren, als sich plötzlich der Himmel rosarot verfärbte. Sein superschönes Bild von der Nacht seht ihr -> hier.
Und der Zufall wollte es, dass auch wir uns zu der Zeit in Spanien befanden und zwar an der Nordküste in Ribadesella/Asturien …

Schon am frühen Morgen des 10. Mai haben wir mit Freunden in Deutschland “konferiert”. Aufgrund mehrerer großer erdgerichteter Sonneneruptionen am 8. Mai hatte das Weltraumwetter-Vorhersagezentrum SWPC die Prognosen für den 11. Mai auf kp 8 hinaufgeschraubt (siehe Screenshot unten; Quelle: Solarham). Ein Wert, der für Polarlichter bis zu den Alpen reicht, und den man so eigentlich nur alle paar Jahre/Jahrzehnte angezeigt bekommt!
Und die Erfahrung hatte uns schon gelehrt, dass Vorhersagen bei so vielen kurz hintereinander von der Sonne weggeschleuderten Partikelströmen selten genau sind. Unterwegs kann viel passieren, sie treten in Wechselwirkung und überlagern/komprimieren sich, verändern ihre Geschwindigkeit u.v.m. Oft treffen sie dann früher ein und fallen noch deutlich stärker als erwartet aus. Und beides sollte auch diesmal der Fall sein! :)

Unsere Gespräche mit Volker, Jochen und Heiko am frühen Morgen des 10. Mai:
So unendlich aktiv wie die Sonne war, könnte das was bis zum Mittelmeer werden!
Da geh ich doch heute Nacht mal vor die Tür! :x

Als am späten Nachmittag der “Schicksal bestimmende” Bz-Wert (mehr dazu in meinem Blog Polarlichter fotografieren) auf minus 46 fiel, war uns klar, dass da ganz Großes im Anmarsch war. Solch einen Wert hatte ich all die letzten Jahre nie gesehen. Selbst bei den starken Polarlichtern am 7. September 2017 waren es “nur” minus 33 bei ähnlicher Sonnenwindgeschwindigkeit (ca. 700 km/s).

Wir genossen noch einen unglaublich roten Sonnenuntergang bei einem unserer Lieblingsfelsbögen in der Nähe von Ribadesella und kurz darauf checkte ich nochmal die Werte. Um 21:52 Uhr wurde ein Bz von -50 gemessen:
Sogar das Magnetometer in Wien hat schon voll ausgeschlagen!
Kp 8,33 real gemessen!
:x :x :x
(nur kurz zur Erklärung: die kp-Skala von 0 bis 9 gibt die Wahrscheinlichkeit an, bis in welche Breiten man die Polarlichter sehen könnte, d.h., desto höher der Wert umso näher rücken sie an den Äquator)

Ich schlug nochmal Alarm im Freundes- und Bekanntenkreis per WhatsApp. Kp 8+ ist ein sensationeller Wert für Deutschland und Österreich. Daraufhin kamen auch schon die ersten Fotos zurück:
Um 22:19 Uhr von Dani, die nicht weit weg vom Bodensee war. Ein Handy-Foto von der A96 (Beifahrerin! ;) ), der Himmel war voller rosaroter Lichtsäulen! Wahnsinn, so weit unten in Deutschland. So ganz realisierte ich noch immer nicht, was das auch für uns bedeuten könnte. Ich schickte ihr stattdessen ein Bild von unserem bunten Sonnenuntergang.
Auch von Gerhard kam kurz darauf ein Foto, aufgenommen um 22:20 Uhr in den Alpen. Knallrot war der Himmel über Innsbruck!
Richtig schön rosa! Natürlich nicht so hell, aber echt schön!“, meinte er.

Nachdem die Fotos aus D und Ö eintrudelten, ging auch ich hinters Haus und schaute nach Norden. Auch in Spanien war der Himmel voller Polarlichter! Nur die Lichter der Ortschaft störten hier etwas, so fuhren wir schnell raus an die Klippen.So langsam dämmerte es mir, vielleicht sollte ich auch kurz rausschauen!? Ich hatte zwar schon den Pyjama an, aber wen interessiert’s… :D
Schnell hinters Haus und mein uraltes Handy gen Himmel gehalten und … @-) @-) @-)
Ich holte sofort Stativ und Kamera. Nein, es war keine Lichtverschmutzung, auch der Himmel über Asturien war KNALLROT!!!
Steffen war gerade am Streamen und wollte sich zunächst gar nicht motivieren lassen zum Rausgehen, vor allem nach unserem doch recht anstrengenden Tagesprogramm mit herausfordernder wegeloser Wanderung die steilen Klippen hinunter und anschließendem Dauergerutsche durch Gezeitenbecken und Höhlensysteme zu acht versteckten Meeresfelsbögen (die Zusammenfassung klingt wirr, aber es war ein absolut genialer Tag!).

Ich ließ nicht locker und so fuhr Steffen mit mir an die Klippen oberhalb der Playa de Guadamia, die zum Glück nicht weit entfernt waren. Und auch dort störte ich noch andere bei ihrer Nachtruhe. Aber die zwei Spanierinnen, die ich aus ihrem Wohnmobil holte, sind schon bald vor Freude herumgehüpft (so wie ich im Übrigen auch :D ). Ich hatte zwar kein Motiv weit und breit (wieso stehen hier keine Palmen!?), aber was soll’s, manchmal muss man einfach den Moment genießen! Und die “Fiestas” feiern wie sie fallen! :dance: :party:

Der Mond war hinter Wolken verschwunden und trotzdem benötigten wir keine Taschenlampe. Inzwischen ist es am Horizont ziemlich hell geworden und oberhalb des Meeres sah man sogar Grün- und Gelbtöne mit dem freien Auge! :x
Und der Oberhammer war, dass sich die roten Lichtsäulen tatsächlich etwas bewegten! In Südeuropa, in Spanien auf 43° nördlicher Breite! :x
Und ab und an konnten wir vier dann sogar leichte Rot- und Rosatöne erkennen! :x
Solche Farben sieht das menschliche Auge grundsätzlich nachts nur ganz schlecht und nur wenn das Rot oder Rosa sehr hell ist. Soooo irre und sooo unerwartet! Man kann das echt nicht mit Worten beschreiben. Und die zwei Spanierinnen erzählten mir dann noch, dass sie schon lange wegen der Polarlichter mal nach Island wollten. Die beiden waren ganz aus dem Häuschen!
Que loucura! Bloß gut, dass viele Wörter auf Portugiesisch und Spanisch gleich klingen. :D

Ein richtig bescheidenes Motiv, ich weiß, aber ich wollte es einfach als Beweis festhalten: Das waren tanzende Polarlichter mit ausgeprägten Beams an der Playa de Guadamia in Spanien. In Südeuropa! Wahnsinn!Als ich Thomas schrieb, dass der Himmel in Spanien rosarot sei, meinte er nur, ich solle aufhören zu trinken. Aber kurz darauf stand auch er schon mit Stativ im Freien. :D :D :D
Jochen war gerade in den Niederlanden unterwegs und hatte die unglaublichsten Farben. Und Volker berichtete über Lichter in südlicher Richtung und hat auch Coronas gesehen. Gerhard stand in Innsbruck weiterhin in den Bergen und fand die Aurora unglaublich bunt. Heiko und Heide haben die Nacht auf dem Balkon in Zwickau verbracht und sich dabei wie in Island gefühlt. :x

Wobei die Polarlichter in Mitteleuropa schon sehr anders sind, zwar extra farbig, aber dafür bewegen sie sich nur ausgesprochen langsam. In Island ist ein starker geomagnetischer Sturm meist extrem schnell, so dass man mit dem Schauen und Fotografieren kaum hinterherkommt. Wer sich allerdings am 10. Mai gerade im hohen Norden befand, der hatte trotzdem keine Freude. Denn dort oben wird es seit Mitte April nicht mehr richtig dunkel. Es ist auch um Mitternacht noch zu hell, so dass man bis etwa Mitte August keine Chance hat eine Aurora zu beobachten.

Unsere Unterhaltung kurz nach Mitternacht:
0:08Ich sehe die Nordlichter mit den Augen hier in Spanien! Sie sind rot, rosa und werden gerade orange!
Unglaublich!
Es beamt in Spanien! Ich geh kaputt!
Gleichzeitig trudelten noch mehr Fotos aus den Niederlanden, aus Hessen und vom Balkon in Zwigge ein.
00:23Irre
00:38Der Wahnsinn…
00:39Ich werd blöde 8-} ” (in Zwigge :D )
00:43Ich auch. Immer mehr Beams!

Handy-Foto von den Polarlichtern mit den zwei Spanierinnen, die vor Glück auch außer sich waren, und mit mir mit Mütze, Wanderschuhen und Pyjama. Nachts war es in Asturien etwas kalt, was aber die Polarlichter fast noch authentischer wirken ließ. ;-)Um 0:46 Uhr hat auch Steffen seine Handyfotos an Freunde geschickt. Inzwischen war auch er wieder voll munter! :D
Die Beams, die Farben, selbst auf seinem Handy alles gut sichtbar. :x

00:52Ich sehe im Süden Nordlichter. Irre” (das war in Hessen!)
00:59Bei uns pulsieren die Lichter im Zenit! In Spanien!” (farblos grau, aber trotzdem sehr kurios!)

Dann trudelte noch ein Foto mit dem Schloss Moritzburg von Jörg bei mir ein. Die rosafarbenen, grünen und blauen Lichter spiegelten sich im Schlossteich! 0:07 Uhr aufgenommen! Wer schon mal Aurora fotografiert hat, weiß wie stark die Lichter sein müssen, damit sie sich in dunklen Wasserflächen spiegeln und das bei der Lichtverschmutzung in bewohnter Umgebung!

01:00Was für eine Nacht! :x
Ein recht passendes Resümee, das dann noch vom Balkon in Zwigge kam. :)

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Mit Ausnahme des Handy-Fotos oben sind das hier im Bericht lauter Original-JPGs aus meiner Canon EOS R5 bei ISO 2000-6400, daher rauschen sie auch so. Ich war zu faul die RAWs rauszusuchen und dachte mir, dass es vielleicht ohnehin besser ist, sie so 1:1 und farblich völlig unverfälscht zu zeigen.

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Abschließend noch ein paar zusätzliche Infos, damit es hier nicht bei einem rein persönlichen Erlebnisbericht bleibt:

Ja, solch ein geomagnetischer Sturm ist ein extrem seltenes Ereignis! So weit in den Süden reichen die Polarlichter nur 1x im Jahrzehnt, wenn überhaupt! Wie selten sie auf den Kanaren (26°) oder auf den Florida Keys (25°) sind, sieht man ganz gut auf dieser Grafik. In diesen Breiten durfte man zuletzt im Februar 1958 eine Aurora beobachten. In Hawaii (19°) war es schon über 100 Jahre her: Mai 1921! Ein echtes Jahrhundert-Event also! ;)
In der Vergangenheit durchlief die Sonne auch schon mal aktivere Phasen, da kam es etwas häufiger zu solchen Ereignissen. Aber es gab auch schon Zeiten, da passierte über 200 Jahre nichts Vergleichbares (z.B. während des Maunder-Minimums im 17./18. Jahrhundert).

Und ja :D … wären wir zu Hause geblieben, wäre das Ganze noch viel imposanter gewesen. Hier ein Video aus Dresden von der Nacht vom 10. auf den 11. Mai -> Link.

Wie kam es zu dieser Polarlichter-Show?
Die Ursache lag an einer sehr aktiven Sonnenfleckgruppe namens AR 3664, die kurzzeitig sogar aus über 80 einzelnen Sonnenflecken bestand (Link) und für zahlreiche erdgerichtete Eruptionen verantwortlich war. Solche unglaublich großen Komplexe (200.000 km breit!) können auch eine volle Sonnenumdrehung überstehen und dann jederzeit neue Partikelstörme in Richtung Erde losschleudern. D.h., man darf gespannt sein, was passiert, wenn AR 3664 wieder der Erde gut zugewandt ist. Der Komplex verschwindet ja nur für ca. 2 Wochen auf der Rückseite. Und hat dort einen X12-Flare produziert, ein neuer Rekord in diesem Sonnenzyklus.
Seit heute (27. Mai) kann man ihn weit außen am linken Rand der Sonne schon erahnen. Er hat nun eine neue Bezeichnung (AR 3697) erhalten und gleich mit einer weiteren kräftigen Eruption (X2.9-Flare) auf sich aufmerksam gemacht. D.h., es könnte in den kommenden zwei Wochen wieder spannend werden. Es “könnte”, “muss” allerdings nicht (so wie es manche Medien derzeit propagieren…)! ;-)
Nach insgesamt 27 Tagen, also so um den 4. Juni dann, ist die Sonnenfleckgruppe wieder an exakt derselben Position wie am 8. Mai.
Generell muss man nicht nur diesen Komplex im Auge behalten. Während des derzeitigen SolarMax können auch andere Sonnenfleckgruppen sehr aktiv werden und ähnliche spektakuläre “Feuerwerke” verursachen.

Wie stark war dieser “Sonnensturm”?
Die klassische Kp-Skala, die üblicherweise bei den Vorhersagen verwendet wird, endet bei 9. Darüber hinaus gibt es aber noch einen etwas genaueren Hpo-Index. Dort wird nicht wie beim Kp ein 3-stündiger Mittelwert gebildet, die Hp30-Werte haben eine Zeitauflösung von nur einer halben Stunde, sind also um einiges genauer. Und dann ist die Hpo-Skala nach oben hin offen. D.h., ungewöhnlich starke geomagnetische Stürme lassen sich so wesentlich besser erfassen.
Schaut man sich die hp30-Werte für den 10./11. Mai an, so sieht man, dass kurzfristig zwischen 22:30 und 23 Uhr UTC (= 0:30-1:00 Uhr MESZ) sogar ein kp von 11,33 gemessen wurde (siehe Screenshot unten; Quelle: GFZ Potsdam)! Das war auch der Zeitpunkt, zu dem unsere Show in Spanien richtig spannend wurde mit sichtbaren Grüntönen am Horizont und tanzenden rosaroten Lichtsäulen darüber. Nach 1 Uhr zogen bei uns die Wolken rein, aber danach war der beste Teil der Show ohnehin schon wieder vorbei.

Es handelte sich auch um die erste G4-Warnung seit Januar 2004 (G4=ein Sonnensturm mit möglichweise schweren Auswirkungen auf der Erde). Letztlich steigerte sich das Ganze sogar noch zu einen G5-Event, also auf die höchste Gefahrenstufe. Aus den Nachrichten weiß vermutlich inzwischen jeder, dass solche riesigen Strukturen auf der Sonne nicht nur für bunte nächtliche Freude sorgen, sondern auch unserer Infrastruktur enorme Schäden zuführen könnten. Dazu zählen nicht nur Havarien an Satelliten und Ausfälle im Funkverkehr, bei Starlink und den GPS-Navigationssystemen (alles war diesmal der Fall!), sondern auch großflächige Blackouts (1989 in Kanada schon vorgekommen) sowie die Gefährdung der ISS-Astronauten. Nicht ausgeschlossen werden können bei solchen Sonnenstürmen auch Totalausfälle von Satelliten oder des langen Internet-Tiefseekabels, das Europa und die USA verbindet. Das mag man sich lieber nicht vorstellen …

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PS: Wie der Spanien-Aufenthalt sonst so war?
Wieder mal suuuuuperschön! Wenn ich Zeit hätte, würde ich auch darüber noch einen Bericht schreiben. Vorerst wollte ich nur mal schnell alles zu diesem unvergesslichen Erlebnis verarbeiten, vor allem so lange ich die Details dazu noch nicht vergessen habe. :D ;)
Viel zu lang ist das hier geworden, aber später mal freu ich mich wahrscheinlich selber darüber, wenn die Erinnerungen beim Lesen wieder wach werden. Denn das sind so die unerwarteten Dinge, die obwohl man in Island ja schon sehr oft geniale Aurora erleben durfte, einem doch irgendwie “total flashen”. Ein Ausdruck, der sonst eher nicht so in meinem Sprachgebrauch zu finden ist, aber im Zusammenhang mit Lichtern passt der dann doch irgendwie. :x
Die ordentlichen Fotos aus Spanien folgen noch im Lauf des Sommers. Wir nehmen uns es zumindest mal vor. Wir sind irgendwie zu oft unterwegs und haben erst zu Pfingsten wieder 3 Nächte in der Oberlausitz verbracht (Vogelfotografie, Freunde treffen und zwei tolle Ranger-Exkursionen). Und bald geht es schon wieder in die Ferne, d.h., die Fotos bleiben vorerst wieder ungesehen, unsortiert und unbearbeitet auf den Festplatten liegen. Irgendwie zum Dauerzustand in den letzten Jahren geworden … “Gelobe Besserung” macht an dieser Stelle vermutlich auch keinen Sinn mehr. O:-) ;)