Der geheimnisvolle “Kugelpilz” aka. Schleimpilz

Beim Spazieren in den Wäldern bei Moritzburg auf einem Baumstamm entdeckt: ein geheimnisvoller kugelförmiger Schleimpilz...Ursprünglich war das Foto hier mal als Bilderrätsel gedacht, aber da wir es selber noch nicht ganz gelöst haben, kam es dann doch nicht dazu. Ich hatte es am 11. April bei unserer Moritzburger-Teich-Runde aufgenommen und gleich danach an ein paar Freunde geschickt. Solch seltsame blaue, gelbe und lilafarbene Kügelchen kannte auch in unserem Bekanntenkreis keiner. Sie wuchsen auf der Schnittfläche eines gefällten Baumes und als wir eines dieser unförmigen Gebilde dann – neugierig wie wir sind – mit einem kleinen Ast anstachen, ronn eine rote marmeladenartige Substanz heraus… so etwas Grausliches hatten wir selten gesehen! :urgs:

Zuerst dachten wir an die Hinterlassenschaften von Vögeln, aber auf dieser senkrechten Fläche schien das keinen Sinn zu machen. Zudem war die Struktur dieser Kugeln netzartig und sie glitzerte fast metallisch.
Mittels Google wurde ich an dem Abend dann nach einer Weile fündig. “Pilz” war mein erster Verdacht und irgendwann landete ich bei der Gattung “Kugelpilz” (Daldinia). Rein optisch sahen sie unseren “Baum-Knubbeln” schon recht ähnlich, aber so eine eigenartige “Beerenmarmelade” in ihrem Inneren war bei keiner einzigen Art beschrieben, ganz im Gegenteil, es war immer von einem schichtförmig aufgebauten Fruchtkörper die Rede. Zwar sollte laut Wikipedia der Gestielte Holzkohlenpilz (Daldinia vernicosa) eine gelatinisierte Trama haben, dafür passte hier wieder der Stiel nicht ins Bild. Ein paar Freunde hatten auch mitgerätselt und mir als Lösung ebenso den Kugel-Kohlepilz (Daldinia concentrica) genannt. In Großbritannien scheint diese Pilzart häufiger vorzukommen und sie ist dort als “King’s Arthur Cake” bekannt (angesichts der berühmtberüchtigten britischen Küche vielleicht kein Wunder, dass dieses Ding dort als Kuchen durchgeht… ;) …).

Dennoch fragten wir uns weiterhin, was das denn nun wohl sein mag. Vor allem weil unser “Kugelpilz” letztlich nur ein einziges Mal so eigenartig ausgesehen hat. Am Folgetag waren die meisten Knubbel nur noch schwarz und auch ihr Inneres bestand aus rein schwarzem Sporenpulver. Das “Gebilde” wuchs beachtlich über Nacht, die neuen Kugeln sahen nicht nur bläulich und lilafarben aus, sondern mitunter auch gelb. So groß, weich und “gefüllt” war allerdings keine mehr und schwarz wurden sie meist schon nach kurzer Zeit. Drei Wochen später war auf dem Baumstamm kaum mehr etwas zu sehen außer ein paar schwarze Überreste. In Radeburg (auf der Suche nach Eisvögel) ist uns dann ein weiterer ähnlicher “Pilz” auf dem Totholz aufgefallen. Diesmal war er allerdings einheitlich gelb.

Nur einen Tag später schon ein ganz anderes Bild: alles nur noch schwarz und ausgetrocknet!
Rund eine Woche später gab es jede Menge neuer Kugeln, aber wir erwischten keine mehr mit dieser seltsamen marmeladenartigen Geleefüllung.
Dafür fanden wir in Radeburg einen ähnlichen Schleimpilz, in dessen Inneren sich auch eine cremeartige Substanz befand. Irgendwie eklig diese Gebilde! ;-)

Irgendwann habe ich dann doch noch die Pilz-Experten beim Naturschutzbund Deutschland (NABU) um Rat gefragt. Und wir lagen wirklich wunderbar daneben! Es handelte sich um ein ganz anderes Lebenswesen! Um einen einzelligen Organismus, der weder den Tieren noch den Pflanzen noch den Pilzen zugeordnet werden kann: sog. Myxomyceten bzw. “Echte Schleimpilze“. Ihr Tipp lautete “Blutmilchpilz”. Aber all das, was mir die Google-Bildersuche dazu anbot, sah so gar nicht nach unserem Exemplar aus. Dass es sich um einen Schleimpilz handelt, davon sind wir inzwischen überzeugt. Aber welcher der rund 1.000 Arten dann genau, wird wohl weiterhin ein Geheimnis bleiben… Eventuell ein Stäublings-Schleimpilz (Enteridium lycoperdon), aber so ganz passt der irgendwie auch nicht…

Sehr interessant war jedenfalls die mir von den Naturkundlern empfohlene Doku auf Arte (noch bis 18.7.2020 in der Mediathek verfügbar). Sie beschäftigte sich eingehend mit einer besonderen Schleimpilz-Art, dem sog. “Blob” (Spitzname des Physarum polycephalum). Diesem wunderlichen einzelligen Wesen schreiben Forscher sogar eine gewisse Intelligenz zu. In der Doku wurde gezeigt, wie Blob – auch ohne Gehirn – den Weg aus einem Labyrinth findet, wie er Entscheidungen treffen kann und wie er sogar sein Erinnerungsvermögen an weitere Blobs weitergeben kann (Link). Klingt schon alles irgendwie verrückt! So verrückt, dass mich das Thema nun doch zu einem Blog inspiriert hat! ;)

PS an alle Naturliebhaber: Wenn einer von Euch wissen sollte, was genau in Moritzburg auf dem Stamm wuchs, freue ich mich über eine Rückmeldung. Lieben Dank schon im Voraus! :)