Dresden – Eröffnung der Waldschlösschenbrücke
Seit heute 1 Uhr morgens rollen die ersten Fahrzeuge durch das Reich der Kleinen Hufeisennase – nachts vorerst allerdings nur äußerst zögerlich, denn im Norden des Brückenbogens wurde zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Fledermausart ein 30km/h-Blitzer installiert. Das mittlerweile schon als “Hufi-Brücke” verspottete Bauwerk vereint nun zwar beide Elbseiten und spaltet dennoch die gesamte Stadt. Der in den 1990er Jahren entbrannte “Dresdner Brückenstreit” konnte weder durch den Bürgerentscheid von 2005 (2/3 der Dresdner stimmten seinerzeit für die Errichtung dieser neuen Brücke) noch durch die Eröffnungsfeier am Wochenende beigelegt werden. Auch heute waren tagsüber Protestplakate zu sehen, allerdings nicht gegen die Brücke sondern gegen deren Gegner: “Brückenmaut für die Brückengegner” hieß es da.
Allen Bauverzögerungen, Protesten, Klagen und Blockaden sowie Streitigkeiten mit UNESCO, Brückengegnern und Umweltschützern zuwider wurde am Wochenende die Eröffnung der Waldschlösschenbrücke groß gefeiert. Begonnen mit den Bauarbeiten hatte man vor fast 6 Jahren im November 2007, das Einschwimmen fand am 7.12.2010 statt und seither wunderte sich jeder nur noch, wie lange es dauern kann, bis so eine Brücke dann auch tatsächlich eröffnet wird und warum denn die Ampeln + Beleuchtungen in den zwei noch gesperrten Zufahrtstunnel schon monatelang brannten…
180,5 Millionen Euro hat die Brücke verschlungen und einen Weltkulturerbe-Titel obendrein – weit mehr als je geplant, weit mehr als viele Bürger ertragen mochten. Das endlose Hickhack mit der UNESCO um das erst 2004 als Weltkulturerbe ausgewiesene und im Juni 2009 aufgrund der Waldschlösschenbrücke wieder von der Welterbe-Liste gestrichene Dresdner Elbtal gibt es in voller Länge u.a. bei Wikipedia zum Nachlesen…
Man mag über die Waldschlösschenbrücke denken, was man möchte: Aber nun überbrückt sie die Elbe 2,5 km flussaufwärts des Zentrums, hält einen Teil des täglichen Arbeitsverkehr von der historischen Dresdner Altstadt fern und entlastet zugleich die baufällige Albertbrücke sowie das Blaue Wunder, eine zwar wunderschöne, aber bereits in die Jahre gekommene Brücke deren zukünftige Nutzbarkeit durch Fahrzeuge immer wieder in Frage gestellt wird. Auch wenn man – wie wir – nördlich der Elbe wohnt, so kann man doch die Anliegen vieler Bewohner des linken Flussufers gut verstehen, die täglich durch die wenigen “Nadelöhre” auf die andere Seite in den Norden von Dresden müssen, wo sich die Industrie und die größten Arbeitgeber der Stadt befinden.
Und apropos Kontroversen: Auf der offiziellen Seite sowie bei dresden.de wird die Brücke mit “ß” geschrieben. Das Brauhaus am Waldschlösschen und andere dort ansässige Unternehmen haben sich allerdings der Rechtschreibreform von 1996 gebeugt und auch hier im Blog war mir das Schlö”ss”chen irgendwie lieber.
Über eines lässt sich aber eher kaum streiten: Eine “architektonische Augenweide” ist die Waldschlösschenbrücke ganz eindeutig nicht geworden und irgendwie kann man sich auch nur schlecht vorstellen, dass dieses Urteil in ferner Zukunft mal anderes ausfallen könnte… Interessanterweise wurde aber einst über das Blaue Wunder – heute als besonders hübsche Brücke und als ein Wahrzeichen der Stadt gefeiert – ähnliches gesagt: “die reizlosen Umrisse der durchweg vernieteten schweren Obergurte der Loschwitzer Brücke in Verbindung mit dem ungewöhnlichen Pfeilverhältnis von etwa 1/6 und der unschönen Versteifung des Mittelgelenks durch aufgelegte Trägerstücke wirken in ästhetischer Beziehung wenig befriedigend”.
Irgendwo hatte ich unlängst gelesen, dass sich die Waldschlösschenbrücke zur Weihnachtszeit eigentlich recht gut als überdimensionaler Erzgebirgischer Schwibbogen machen würde. Eine schöne Beleuchtung angebracht, ein paar nette bunte Holzfiguren dazugestellt und vielleicht wäre die Hufi-Brücke dann wenigstens in “ästhetischer Beziehung” etwas befriedigender…
Hui, mal ein Bericht aus meiner “Nachbarschaft”. Ich hatte das Vergnügen(?), die Eröffnungsreden vor zwei Wochen – zumindest teilweise – hören zu können. CDU-Selbstbeweihräucherung und diverse Seitenhiebe auf die “selbsternannten Umweltschützer” und die “peinliche Entscheidung der UNESCO”. Überflüssige Erklärungen, dass das Dresdner Elbtal natürlich weiterhin Weltkulturerbe bleibe: “Weltkulturerbe der Herzen” dann eben.
Eine Rede also, wie man sie in Dresden erwarten durfte.
Wirklich schön finde ich das Bauwerk auch nicht. Klar, es hätte noch störender sein können, aber man hätte es mit wenig Aufwand besser in die Landschaft einpassen können. Etwas Farbe – grüne Abstufungen an den Trägern zum Beispiel, so wie man das gelegentlich an den Füssen der Windkrafttürme findet, wären einfach machbar. So aber warte ich darauf, dass sich neben “Hufi-Brücke” ein anderer Spitzname etabliert: Graues Wunder
Grüsse aus der Brückengegend,
Daniel