Tote, abgestorbene Bäume in der Sächsischen Schweiz

Die Anzahl an toten Bäumen in der Kernzone des Nationalparks Sächsische Schweiz ist derzeit wirklich erschreckend.Die Sächsische Schweiz liegt bei uns zwar praktisch “um die Ecke”, aber dennoch haben wir uns während der letzten Jahre über nur im Winter und im Herbst dorthin verirrt. Daher sind die fortschreitenden Schäden, die der Borkenkäfer den Bäumen dort zugefügt hat, für uns nie klar ersichtlich gewesen. Umso erschrockener waren wir aber jetzt diesen Sommer. Als ich letzte Woche mit einer Freundin dort wandern war, habe ich ein paar Handyfotos gemacht. Von manchen Aussichtspunkten sind große Bereiche, so weit das Auge reicht, abgestorbenen und braungrau. Der schöne grüne Märchenwald, der die Sandsteinfelsnadeln umgab, vielerorts nur noch ein Schatten seiner selbst! Auch wer zum ersten Mal diese Gegend besucht, ist garantiert schockiert über das Ausmaß der Zerstörung und die Anzahl an toten Bäumen. Wahrlich kein schöner Anblick, aber Teil eines natürlichen Regenerierungsprozesses.

Einst prägten Buchen-Eichen-Wälder das Landschaftsbild, bis zur Gründung des Nationalparks im Jahr 1990 wurde sie aber zunehmend von einem Fichtenforst verdrängt. Für die Holzwirtschaft sind die schnellwachsenden Fichten die “perfekten” Bäume, da sie rasch den begehrten Rohstoff liefern. Sie sind jedoch nicht in dieser Gegend heimisch und wachsen vor allem auch nicht in dieser Höhe, sondern üblicherweise erst ab 800 m. Auf der deutschen Seite des Elbsandsteingebirges erreichen die höchsten Erhebungen gerade mal 560 m (Großer Zschirnstein), etwas weiter hinauf (723 m) ragt der Schneeberg in der Böhmischen Schweiz (-> Überblick). Auch fangen Fichten bei Hitze und Dürre schnell zum Kränkeln an – und von beidem gab es ja während der letzten Jahre reichlich! Im geschwächten Zustand haben sie einem Borkenkäferbefall nichts entgegenzusetzen. Diese rund 0,5 cm großen Insekten (Infos) brüten in der Rinde und legen darunter ein Labyrinth an Gängen an. Dadurch wird die Nährstoff- und Wasserversorgung unterbrochen, die Bäume vertrocknen und sterben ab.
Fichtenborkenkäfer (auch unter dem Begriff “Buchdrucker” bekannt) können sich explosionsartig vermehren. Mit oftmals drei Eiablagen bringt es ein einziges Pärchen auf bis zu 1.000 Nachkommen pro Jahr. Man schätzt, dass bereits 400 dieser Tierchen selbst für eine steinalte Fichte das Todesurteil bedeuten.
Unter normalen Bedingungen (nur wenige Käfer und ausreichend Feuchtigkeit) kurbeln die Fichten ihre Harzproduktion an, um die unerwünschten Eindringlinge darin zu ersticken. Dass dies den Bäumen während der letzten Jahre nicht gelungen ist, wird einem in der Sächsischen Schweiz klar vor Augen geführt. 2018 zählte man dort rund 75.000 tote Fichten.

Noch vor nicht allzu langer Zeit, waren die Sandsteinnadeln noch umgeben von herrlichem Grün, hier der Blick von der Idagrotte im Jahr 2007.
Hier sieht man wie der Borkenkäfer um die Felsen bei der Idagrotte fast alles vernichtet hat - Foto von letzter Woche.
Ein ähnliches Bild in alle Himmelsrichtungen entlang der Oberen Affensteinpromenade... ;-(
Bedrückend auch wie sehr sich die Aussicht vom Unteren Fremdenweg auf den Großen Zschand verändert hat!
Leider haben wir vom Großen Zschand kein gutes Vergleichsfoto, nur dieses Schlechtwetterfoto von 2013. Die dunkleren Bereiche im Wald sind während der letzten Jahre total kahl geworden.
Selbst bei der berühmten Kiefer am Gleitmannshorn sieht man die Waldschäden deutlich.

In der Kernzone, jenem Teil des Nationalparks mit dem strengsten Schutz, lässt man der Natur freien Lauf. D.h., dort darf sich der Borkenkäfer ungehindert “austoben”. Nur in den Außenbereichen des Nationalparks, in den sog. “Pflegezonen”, werden befallene Fichten sofort entfernt, da andernfalls auch alle Privatforste im Umfeld stark gefährdet wären. Mit dem Abtransport der gerodeten Bäume kam man aber 2018 kaum mehr hinterher…
Wer sich näher dafür interessiert, welche Flächen derzeit vom Borkenkäfer befallen sind bzw. wo eingegriffen wird und wo nicht, findet in diesem Beitrag eine gute Übersichtskarte. Zur Kernzone zählt u.a. im westlichen Teil das Gebiet bei der Bastei und rund um den Brand sowie das Polenztal, im Osten der Große Zschand mitsamt Kirnitzschtalklamm und der Bereich beim Großen Winterstein.

Hier sind die Totholzverwerter schon im Vormarsch, neben Schleimpilzen freuen sich auch allerlei andere Kleintiere über die kaputten Fichten.Natur Natur sein lassen” ist ja an sich kein schlechtes Motto (ich wünschte das wäre beim Gebrauch von Pestiziden und anderen Umweltgiften auch so…). Aber auch nur lo lange das Ganze nicht in einer “lautlosen Naturkatastrophe” endet, wie der MDR das so gut formuliert hat (-> Bericht). Wir können nur hoffen, das sich das Landschaftsbild während der nächsten Jahrzehnte in der Sächsischen Schweiz wieder etwas zum Positiven ändern wird und dass die derzeit grauen(haften) Flächen langsam von einem weitaus artenreicheren Mischwald abgelöst werden. Gut sichtbar ist der Verwandlungsprozess u.a. entlang des Wanderwegs “Reitsteig” südwestlich des Kleinen Winterbergs (Borkenkäferbefall 2017/18). Dort wurde auch eine entsprechende Tafel mit Erläuterungen angebracht. Vielleicht geht alles sogar schneller, als man denkt. Sind die Fichten erst mal umgefallen, stürzt sich eine ganze Armada von Asseln, Käfern, Ameisen und weiteren Kleintieren auf sie sowie diverse Pilze und Schleimpilze. Die Zersetzung des Totholzes schafft die perfekte Grundlage und den Langzeitdünger für neues vielfältiges Leben. So steht z.B. am Hochhübel, wo 2007 der Borkenkäfer wütete, 13 Jahre später schon ein recht ansehnliches bis zu 5 m hohes Wäldchen. Birken, Buchen, Pappeln, Eschen und Lärchen haben sich dort ohne menschliches Zutun auf dem Boden der einstigen Monokultur breit gemacht. Eine komplexe Waldstruktur mit dichten Bereichen und Lichtungen hat noch einen Vorteil: Sie erhöht auch die Artenvielfalt im Tierreich.

Zum Glück gibt es aber etliche Ausblicke in der Sächsischen Schweiz, die vom Borkenkäfer verschont geblieben sind, darunter auch einer unserer Lieblingsorte, der Carolafelsen.In der Sächsischen Schweiz kann man derzeit also hautnah miterleben, was passiert, wenn die Natur, die ihr durch Menschenhand zugefügten “Narben”, wieder zu reparieren versucht. In diesem Sinne, seid nicht allzu schockiert bei Eurem Besuch. Es gibt wie oben schon angedeutet auch noch große Bereiche im Nationalpark, die kaum betroffen sind. So hat sich zum Beispiel die wunderschöne Aussicht vom Carolafelsen kaum verändert, nur links und rechts – bereits außerhalb des Blickfelds – stehen dort ein paar abgestorbene Bäume (Tipp: Wanderung durch die Wilde Hölle). Schon etwas bedrückend ist der Geisterwald vor allem entlang der Oberen Affenpromenade, bei der Idagrotte und am Unteren Fremdenweg mit Blick auf den Großen Zschand (50% Fichten!), aber auch dort sollten ja eher die vielen Sandsteinnadeln und Türmchen im Vordergrund stehen. Und diese sind zum Glück unverändert und wirklich beeindruckend! ;)

Achtung: Bei Sturm oder starkem Wind die Wälder unbedingt meiden! Die abgestorbenen Flachwurzler können leicht umkippen und auch herabfallende Äste können lebensgefährlich werden. Gelegentlich müssen zum Schutz der Wanderer selbst in der Kernzone Ausnahmen gemacht und die Kettensägen angeworfen werden.
Eine schöne Sammlung mit den Wanderwegen der Sächsischen Schweiz findet man u.a. auf dieser Website. Die dort veröffentlichten Karten und GPX-Tracks sind Gold wert. Erst letzte Woche ist uns wieder aufgefallen, wie viele Leute sich dort mit den üblichen Wanderkarten verlaufen. Selbst bei bekannten Wegen wie der Oberen Affensteinpromenade ist kaum etwas wirklich gut ausgeschildert. Es waren nicht gerade wenige, die dort oder bei der Zeughausstraße trotz Karte völlig planlos unterwegs waren. Bestens ausgestattet ist man auch mit den (kostenlosen) OpenAndroMaps und der Android-App “Locus Map Pro”.