Feuer unter dem Eis:
Vulkan Bardarbunga rumort beim Vatnajökull

Auch Teil der mächtigten Eiskappe des Vatnajökull Gletschers, die Eislagunen Jökulsarlon und FjallsarlonEs ist gerade mal vier Jahre her, dass der nahezu unaussprechbare Eyjafjallajökull den europäischen Luftraum tagelang lahmgelegt hat und im Mai 2011 sorgte die Aschewolke vom Vulkan Grímsvötn ebenfalls für kurze Behinderungen im Luftverkehr. Nun rumort es erneut unterhalb des Vatnajökull, dem größten Gletscher Islands. Tausende von schwächeren und stärkeren Erdbeben wurden während der letzten drei Tage rund um den zuletzt 1910 ausgebrochenen Bárðarbunga am Nordwestrand der großen Eiskappe registriert.

Die Risikoeinschätzung für den Luftverkehr wurde gestern bereits auf “orange” angehoben. Aufgrund der stark erhöhten seismischen Aktivität können ein baldiger Ausbruch (Alarmstufe “rot“) sowie damit verbundene großflächige Überflutungen und ein Asche-/Giftgasaustritt nicht ausgeschlossen werden. Der Ausbruch des Eyjafjallajökull vor 4 Jahren in der Nähe der Südküste war ein tolles Naturschauspiel und die meisten Bilder, die Fotografen aus aller Welt damals gemacht haben, sahen wirklich spektakulär aus. Der Bardarbunga ist jedoch eine “Aufwölbung” (= bunga) mitten im isländischen Hochland – entlegen und kaum zugänglich.

Und mit seinen 2.010 m Höhe ist der Bardarbunga nicht nur einer der höchsten Berge der Insel sondern auch einer der mächtigsten Vulkane Islands. Und was bei einem großen Ausbruch so alles (rein theoretisch) passieren kann, veranschaulicht die Geschichte des Winters 1783/1784. Nachdem die Laki Krater Unmengen an tödlicher Asche und Giftgasen in die Atmosphäre geschleudert hatten, verhungerte nicht nur ein Fünftel der isländischen Bevölkerung. Die globalen Auswirkungen waren verheerend und deren Ausmaß unvorstellbar. Selbst die Eisberge bei New Orleans und im Golf von Mexico sowie eine komplett zugefrorene Elbe in Sachsen mit einer anschließenden 1 m hohen Flut im Dresdner Zwinger sind wohl auf den isländischen Vulkan zurückzuführen (nähere Infos).

Aber auch ein relativ kleiner Ausbruch kann bereits beachtliche Folgen haben. Der Krater des Bardarbunga liegt unter einer gut 600-700 m dicken Eisdecke verborgen, so dass ein Gletscherlauf möglich wäre. Ein Ausbruch des benachbarten, ebenfalls subglazialen Vulkans Grímsvötn führte im November 1996 zu einer Mega-Flut im Süden Islands, die nicht nur Brücken, Strom- und Telefonkabeln schwer beschädigte sondern auch einen insgesamt 10 km langen Streckenabschnitt der Ringstraße weggespülte (nähere Infos). Riesige Eisberge, wie sie sonst friedlich in der Jökulsarlon oder Fjallsarlon schwimmen (siehe Foto oben), stürzten damals sintflutartig mit den Schmelzwassermassen vom Vatnajökull in Richtung Südküste – direkt über die Ringstraße und in unmittelbarer Nähe von heutigen Touristenattraktionen wie dem Svartifoss oder dem Papageientaucherfelsen Ingólfshöfði vorbei.

Die Sprengisandur F26, eine abenteuerliche raue 4WD-Piste, durchquert das isländische Hochland und verläuft ausgehend von Hrauneyar westlich bzw. nordwestlich des Vatnajökull. Ein Hinweis am Anfang der Strecke zeigt die Entfernung zur nächsten Tankstelle.Von einer Flut betroffen wäre wahrscheinlich dieses Mal jedoch das Gebiet rund um den Jökulsá á Fjöllum, an dem weiter nördlich auch der berühmte Dettifoss und Selfoss liegen sowie die Ásbyrgi Schlucht. Um Bevölkerung und Touristen nicht unnötigen Gefahren auszusetzen, wurden sicherheitshalber bereits die wenigen Straßen im unmittelbaren Umfeld des entlegenen Vulkans im isländischen Hochland gesperrt (Lage; Übersichtskarte; gesperrte Gebiete). Die berühmte Hochlandpiste Sprengisandur (F26), die im Nordwesten des Vatnajökull die Insel durchquert, ist (noch) nicht davon betroffen und führt als einzige Straße noch in die Nähe des Bardarbunga. Die Verbindungsstrecke zwischen der F26 und Askja (Gæsavatnaleið Route bzw. F910) wurde bereits geschlossen.

Da diesen Herbst eigentlich andere Reisepläne anstehen (in ein Land, das wir bislang noch nicht gemeinsam besucht haben und in dem wir beide schon recht lange nicht mehr waren), bleibt uns vorerst auch nur der gespannte Blick in die Webcam am Grímsfjall in ca. 30 km Entfernung und die Hoffnung, dass die isländische Bevölkerung (und der europäische Luftraum) vor neuen Katastrophen verschont bleiben.

Updates:

  • Zweite Webcam
  • 19.8 abends: Evakuierung ist nun im Gange (das gesamte Gebiet zwischen dem Vatnajökull und der Ringstraße am Lake Myvatn wurde für Besucher gesperrt)
  • 23.8: Die Warnstufe wurde von orange auf rot erhöht, da es beim benachbarten Dyngjujökull Glacier zu einem ersten subglazialen Ausbruch kam. Nun wurden sicherheitshalber auch die Straßen zum Dettifoss (#864 und #862) für Besucher gesperrt.
  • 24.8: Es gilt wieder nur die orange Warnstufe, da es sich beim gestrige “Ausbruch” wohl um einen Fehlalarm handelte. Die Straßen zum Dettifoss bleiben aber dennoch bis auf Weiteres geschlossen.
  • 29.8. 8:10 Uhr: Nach zahllosen weiteren Erdbeben ist es nun so weit: Seit heute Nacht fließt Lava nördlich des Bardarbunga aus einem 1 km langen Erdriss bei der/die/das Holuhraun (genaue Position hier). Der Flughafen in Akuyeri wurde vorübergehend gesperrt, ist aber nun wieder offen (No-Fly Zone); sonst noch keine Auswirkungen.
  • 29.8. 13:10 Uhr: Ein aktuelles Video vom Ausbruch gibt es auf ruv.is.
  • 31.8.:Am Holuhraun fließt seit heute Nacht erneut Lava. Mittlerweile wurde das subglaziale Ereignis am 23.8 als “Vulkanausbruch” bestätigt und die seismische Aktivität lässt nicht nach, so dass man von offizieller Seite her einen noch größeren Ausbruch des Bárðarbunga leider nicht ausschließen kann. Auch ist man sich inzwischen nicht mehr sicher, in welche Richtung sich ein möglicher jökulhlaup (Gletscherfluss) wenden könnte. Selbst die Þjórsá (fließt hinunter nach Selfoss), die Tungná (in der Nähe von Landmannalaugar), die Skjálfandafljót und Skaftá könnten davon betroffen sein.
  • Gute News und schöne Bilder auch auf dem Twitter-Account von der isländischen Universität