Das Wetter im Südwesten der USA und der Einfluss von El Niño

Des einen Freud ist des anderen Leid! Die seit Jahren einer extremen Dürre ausgesetzte Natur im Südwesten der USA hat sie schon dringend erwartet, die Rückkehr von El Niño! Er traf diesen Frühling dort ein und zwar mit all dem, was Urlaubern reichlich Verdruss schafft. Starkregen und nicht endend wollende Schlechtwetterperioden, damit rechnet man in den sonst so sonnenverwöhnthen Halbwüsten eher kaum. Wie sang Albert Hammonds einst so schön? It never rains in Southern California! Und doch kann es passieren. Viele, die während der letzten Monate drüben unterwegs waren, beklagen sich in erster Linie über ein und dasselbe: das miserable Wetter!

Der spanische “Bub” (El Niño) tritt in regelmäßigen Abständen, alle 2-7 Jahre – mal stärker, mal schwächer – in Erscheinung. Es handelt sich um ein globales Wetterphänomen, das uns in Europa zwar weniger beeinflusst, aber dafür fast den gesamten südpazifischen Raum, alle angrenzenden Länder sowie ganz Südamerika betrifft. Dabei kommt es zu einer großräumigen Luftdruckschwankung (Southern Oscillation) und dem vorübergehenden Erliegen der durch die Erdrotation bedingten Südostpassatwinde. Die Wasseroberfläche des nur vermeintlich “Stillen” Ozeans erwärmt sich vor der südamerikanischen Küste in Äquatornähe überdurchschnittlich um 3-8°C, mit der Folge dass sich die Strömungen auf der Meeresoberfläche komplett umkehren. Diese sind unter normalen Bedingungen westwärts ausgerichtet, wenden sich aber nun nach Osten und treiben einige Monate lang rekordverdächtige Flutwellen sowie jede Menge Regenwolken in Richtung Süd- und Nordamerika.

So könnte man es kurz und knapp zusammenfassen, in Wirklichkeit üben aber noch zahllose andere Faktoren ihren Einfluss aus. Zu komplex sind alle Zusammenhänge und auch defekte oder ausgefallene Messbojen, die im Pazifik die Wassertemperartur überwachen sollten, erschweren den Wissenschaftlern ihre Arbeit, so dass sämtliche Prognose-Modelle für diese Klimaanomalie oft eher “ver”sagen” als “vorher”sagen. Nicht selten wird von der amerikanischen Behörde NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) voreilig eine falsche “El Niño Warnung” herausgegeben, die sich im Anschluss dann sogar als ein La Niña (“Mädchen”) entpuppen kann, mit anderen Worten dem glatten Gegenteil, einer weiteren Dürreperiode im Südwesten der USA. Davon waren auch wir schon (mehrfach) betroffen. Wir hofften im Frühling eine tolle Wildblumenblüten in Kalifornien und Arizona zu erleben, stattdessen rollte dort nur das Tumbleweed über den ausgedörrten Wüstenboden… Und ziemlich zeitgleich versinken bei solch einem “La Niña” Phänomen dann meist – auf der anderen Seite des Pazifiks – Australien und Indonesien in den Fluten.

Die Veränderung der Meeresströmungen und des Wetters im südpazifischen Raum werden unter dem Begriff ENSO (El Niño Southern Oscillation) zusammengefasst. Die Auswirkung der beiden Extremwetterlagen (Niño/a) reichen aber weit über das hinaus, was Einheimische und Urlauber vor Ort zu spüren bekommen: Millionenschäden durch verheerende Überschwemmungen einerseits oder – wie derzeit in Kalifornien – jahrelange Dürrekatastrophen, vermehrte Waldbrände, leere Stauseen und Engpässe bei der Trinkwasserversorgung, Ernteausfälle bis hin zu brachliegenden Ackerflächen gigantischen Ausmaßes und ganzen Landwirtschaftszweigen, die in ihrer Existenz bedroht sind. Zudem verhungern lokal große Populationen von Seevögeln und Meeressäugetieren. Und wenn Fischschwärme aufgrund der Strömungen und des temperaturabhängigen Nahrungsangebots plötzlich in ganz andere Regionen abwandern, kehren auch Fischer mit leeren Netzen in die Häfen zurück. Genau das trat in regelmäßigen Abständen an der peruanischen Küste zur Weihnachtszeit ein, daher der Name “El Niño” (auch für “das Christkind”).

Üblicherweise tritt diese Wettererscheinung erst im Herbst/Winter auf, dieses Jahr fällt der Termin deutlich früher aus und wird sich mit der ebenfalls feuchteren “Monsoon Season” (Link) im Südwesten der USA überschneiden. Laut aktueller Vorhersage sollen die gegenwärtigen El Niño Bedingungen noch bis Ende 2015 andauern. Aber angesichts der Horrormeldungen und Satellitenbilder, die erst diesen Winter durch die Presse geisterten (z.B. hier), bringt dieser El Niño endlich die für Kalifornien so bitter nötigen Niederschläge. Für Leute, die sich schon auf Wildblumen in der Mojave oder Sonora Wüste freuen, könnten das ebenfalls eher gute Nachrichten sein! Und in extremen El Niño Jahren zeigt sich sogar eine der trockensten Wüsten der Welt von ihrer buntesten Seite, die Atacama in Südamerika.

Wir hoffen, dass keiner von Euch zu sehr von den derzeitigen Wetterkapriolen betroffen war/ist! Allen, die dieses Jahr noch eine Tour durch den Südwesten der USA planen, wünschen wir nicht nur eine tolle Reise sondern vor allem auch gutes Wetter!

Update 9. Juli 2015: Neueste Prognosen sagen einen sehr starken El Niño bis ins Frühjahr 2016 voraus, ev. den stärksten seit 1997. Klingt nach viel Regen im Herbst und Unwettern, aber dafür auch nach volleren kalifornischen Stauseen und einer möglicherweise phänomenalen Wildblumensaison 2016!

Update 20. Juli 2015: Die neuesten Schlgazeilen bestätigen die Vorhersagen: Rekordniederschläge in Südkalifornien, Überschwemmungen in LA und Flash Floods in San Diego. Summiert man die Juli-Regenmenge in San Diego von all den letzten 101 Jahren ist diese kleiner als die der letzten Tage! Auch die I-10, wichtigste Verbindung zw. LA und Phoenix ist südlich des Joshua Tree NP bis auf Weiteres gesperrt aufgrund einer durch Starkregen kollabierten Autobahnbrücke.

 

Wer noch mehr über das Wetterphänomen nachlesen möchte und sich auf dem aktuellsten Stand halten will, den könnten folgende Webseiten interessieren:

Lesenswert ist auch die gute Zusammenfassung bei Quarks:
www.quarks.de/umwelt/klimawandel/el-nino-auswirkungen-klimawandel-hitze-extremwetter/