Island – Welchen Kp-Index benötigt man für schöne Polarlichter?
Dieses Thema liegt uns auch noch am Herzen, da es aber nicht in 3 Sätzen abgehandelt werden kann, kommt hier ein Extra-Blog dazu. Und um gleich das Wichtigste vorweg zu nehmen: Nein, man benötigt in Island keinen Mega-Sonnensturm um Polarlichter zu sehen und schön fotografieren zu können! Die Insel liegt zwar unterhalb des Polarkreises, aber dafür bewegt sich das Polarlichter-Oval meist direkt über sie hinweg. Lasst Euch daher ja nicht von vermeintlichen “ruhigen Bedingungen” allzu sehr entmutigen.
Der Kp-Index (kurz für “planetarische Kennziffer der geomagnetischen Aktivität”) ist nicht alles! Dieser Wert gibt zwar die Wahrscheinlichkeit eine Aurora beobachten zu können wider, ist aber nicht selten reine “Kaffeesatzleserei”. Das gilt zumindest für den vorab prognostizierten Kp-Index auf der NOAA-Seite oder beim Geophysikalischen Institut in Alaska und leider auch für die alle 3 Stunden aktualisierten Werte z.B. bei Space Weather Live. Auf diese Vorhersagen, die alle auf die NOAA zurückgehen, verlassen sich auch der isländische Wetterdienst vedur.is sowie die bislang meisten Aurora-Apps. Der Kp-Index schwankt dabei zwischen 0 (minimal), 1 (quiet), 2 (low), 3 (moderate), 4 (active) usw. und 9 (extrem starke Polarlichter die weit bis in südlichere Breiten reichen). UT= Universal Time ist Greenwich- bzw. Island-Zeit.
Anders verhält es sich mit dem realen Kp-Index, der von Messstationen weltweit tatsächlich aufgezeichnet wurde. Diese Werte lassen sich im Nachhinein auf der Webseite des Deutschen Helmholtz GeoForschungsZentrum einsehen:
- Die letzten Stunden gibt es als “Echtzeit Kp-Index” hier.
- Die Werte für den letzten Monat findet man in dieser Tabelle und
- noch weiter zurückliegende Monate unter diesem Link.
Aber Achtung! Selbst der reale Kp-Index spiegelt nicht immer das wider, was sich tatsächlich am nächtlichen Firmament ereignet hat!
Hier mal als Beispiel unsere Nächte jetzt im März in Island:
Aufgelistet sind hier die realen Kp-Werte, immer in 3-Stunden-Intervallen ab 0:00 Uhr. D.h., der Wert ganz rechts zeigt den Zeitraum 21-24 Uhr an, ganz links das, was nach Mitternacht los war. Anhand dieser Zahlen mag man aber kaum glauben, dass wir an 11 von den 15 Nächten, die wir auf der Insel verbracht haben, richtig tolle Polarlichter hatten.
Wir haben bei unserer allerersten Wintertour im März 2013 schon feststellen müssen, dass man – vorausgesetzt der Himmel ist wolkenfrei – wirklich nie die Hoffnung aufgeben darf. Am 27.3.2013 war abends ein kp=0 für die ganze Nacht vorhergesagt. Die Polarlichter-Show, die uns dann aber geboten wurde, war einfach nur sagenhaft! Das Foto vom Lake Myvatn (siehe unten) haben wir z.B. damals aufgenommen. Der prognostizierte Kp-Index stimmte da – wie so oft – überhaupt nicht mit dem realen überein. Letzterer kletterte zum Zeitpunkt der Aufnahme immerhin noch auf ordentliche 4,33.
Dasselbe Spielchen im März 2014, wo es abends in Vik um 20:30 Uhr ebenfalls noch für die ganze Nacht kp=0 hieß und kurz nach 23 Uhr dennoch eine irre Show begann, die sich erst mit der einsetzenden Morgendämmerung langsam wieder verabschiedete. “Aurora Tornado” (siehe unten) ist eines der vielen Fotos, die damals entstanden sind.
In der Nacht auf Snaefellsnes, in der wir aufgrund fantastischer Polarlichter ebenfalls kein Auge zugebracht hatten (23./24.9.2015), betrug der Kp-Wert “nur” 2,33 zum Zeitpunkt, als u.a. die herrlich bunte Aurora oberhalb der Kirche in Hellnar aufgenommen wurde (siehe ebenfalls unten). Man braucht also keinen ultimativ hohen Wert, um ein unvergessliches Erlebnis zu haben!
Aber wirklich verrückt ist das, was uns jetzt bei der letzten Reise im März 2017 passiert ist: Bei einem realen (!) Kp-Index von 1,33 haben beim Kirkjufell die Bögen herrlichst getanzt und mit 1,0 nach Mitternacht sind die bunten Vorhänge auf uns heruntergefallen. Wir konnten es kaum glauben, es war einfach nur irre! Und sie befanden sich zwischenzeitlich sogar richtig oben im Zenit! Auch in der Nacht zuvor waren die tanzenden, verschlungenen Bögen einfach nur phänomenal und die Kp-Werte auch nicht höher (ebenfalls 1,33). Und was noch unglaublicher war: Die Polarlichter sahen beide Male sogar für das Auge richtig schön farbig aus!
Wie konnte das aber sein? War Island auf all den gängigen Kp-Übersichtskarten nur falsch positioniert? Wir hatten am letzten Reisetag dann noch ein längeres Gespräch mit einem Mitarbeiter im Aurora Museum in Reykjavik und der meinte auch zu uns, dass manchmal kp=1 in ganz Island völlig ausreicht für eine tolle Show. Er hat also unsere Erfahrungen der vorangegangen Tage bestätigt!
Was man bei all der Euphorie aber natürlich nicht vergessen darf: Die Chancen tanzende Bögen und eine “Corona” (herabfallende “Zirkuszelte” aus dem Zenit) zu erleben sind bei höheren Kp-Werten ungleich größer. Bei einem kp=1 kann der Bogen auch stundenlang langweilig am Horizont verharren wie auf dem Foto rechts von der Jökulsarlon Gletscherlagune. Die Begeisterung der meisten Besucher und Fotografen wird sich da sicher eher in Grenzen halten. Auch ist die Farbintensität bei höherem Kp-Index meistens schon um ein Vielfaches beeindruckender und der Anteil an rosa-, lila-, rot- und blaufarbenen Lichtern steigt. Ein Megasonnensturm ist einfach nicht zu toppen!
Zu unseren schönsten Erlebnisse zählen nach wie vor die Nächte mit einem kp=5 beim Eisstrand (28.2/1.3.2015) sowie mit 3,67 in Vik (12./13.3.2014) oder auf Snaefellsnes (2,33 im September 2015 bzw. 4,33 jetzt im März 2017). Aber das verrückte Event beim Kirkjufell mit kp=1 reiht sich gleich dahinter ein! Bei Steffen kommt das sogar noch vor den beiden Nächten auf Snaefellsnes. Da sieht man mal wie relativ doch alles sein kann! Man kann also unmöglich eine generelle Aussage bzgl. des Kp-Index treffen. Ein höherer Wert macht die Fotos nicht zwangsweise schöner. Und dasselbe gilt auch für die Erinnerungen!
Auch bei größeren Sonnenstürmen gehört immer eine Portion Glück dazu. Und so kann es vorkommen, dass sich bei kp=8 alles schon so weit im Süden abspielt, dass man in Island nichts mehr davon hat. So ist es mal Freunden von uns ergangen. Unsere stärksten Lichter durften wir in der Nacht vom 13./14.3.2022 in Dimmuborgir erleben. Kp=6,33 und absolut unvergesslich! Für ein paar Tage sogar wortwörtlich, denn ich bin da vor lauter Aufregung gleich mal gestolpert und auf blankem Eis gelandet. In der Nacht sind nicht nur die Fotos bunt geworden …
Aber hier nun ein paar Beispiele, eine kleine Zusammenstellung mit den realen Kp-Werten, die Euch vielleicht einen Eindruck davon vermittelt, was man in Island so erwarten kann/darf:
kp=1,33; kein Mond;
der Himmel voller
Aurora-Vorhänge
zur Blauen Stunde
klar und farbintensiv
16.03.2017, 21:30 Uhr
kp=2,33; kein Mond;
Polarlichter am gesamten
Himmel, aber fürs Auge nur
als graue (!), pulsierende
“Wolken” erkennbar
24.9.2015, 04:22 Uhr
kp=3; Mond 76%;
Aurora in der Dämmerung;
der Himmel war noch zu
hell, die Farben daher
nur schwach sichtbar
07.03.2017, 20:14 Uhr
kp=5,67; Mond 73%;
sehr starke Lichter
sogar etwas Rosa mit freiem Auge zu sehen
14.03.2022, 00:03 Uhr
kp=6,33; Mond 73%;
Lichter am gesamten Himmel
und eine traumhafte
Aurora Corona
13.03.2022, 23:51 Uhr
(alle Angaben ohne Gewähr! )
Nach unserem letzten Update hier im März 2022 sieht es nun tatsächlich so aus, als ob ein höherer kp-Wert zu besseren Fotos führt. Dies soll aber auf keinen Fall das Resümee dieser Übersicht sein! Denn dass die Reihe nun so aussieht, das liegt primär daran, dass wir über die Jahre Erfahrung gesammelt haben und sich auch unser Equipment verbessert hat. Coronas wie auf der letzten Aufnahme, haben wir auch schon bei kp-Werten von 3 oder 4 erlebt. Nur waren wir bislang nicht schnell genug, sie auch ordentlich abzulichten. Es lag also nicht an den kp-Werten, sondern nur an uns.
Einen Sonnensturm mit einem realen Kp-Index größer als 6+ bzw. 6,33 haben wir bislang noch nie erlebt. Aber vielleicht klappt das mal während des kommenden Solarmax im Sonnenzyklus Nr. 25…
Und wenn nicht, dann sind wir auch mehr als zufrieden mit all den wunderschönen und verrückten Lichter-Shows, die wir bisher in Island erleben durften…
– Polarlichter beobachten in Island – Tipps & Tricks
– Polarlichter fotografieren – Aurora Borealis in Island
– Polarlichter Vorhersagen (für Fortgeschrittene)
Darin beschriebe ich, wie wir vorgehen und welche Graphiken wir uns immer bei der Polarlichterjagd anschauen.
Hallo,
vielen Dank für eure ausführliche Seite zur Polarlichtfotografie!!
Wir kommen gerade aus Island und hatten das Glück, welche sehen zu dürfen.
Dank eurer Beschreibung waren sie auch für unsere Augen schwach sichtbar, und durch die richtige Kameraeinstellung auch einzufangen.
Was für ein Erlebnis!
Liebe Grüße
Martina
Martina, das freut mich!
LG aus Dresden
Isa
Danke für die tolle Zusammenfassung! Sehr gut und nachvollziehbar erklärt.
Danke Florian, viel Spaß und viel Erfolg noch beim “Vulkantouren”!
Hallo zusammen. Es gibt einen physikalischen Wert, der für die jeweilige lokale Position und die gegenwärtige Situation um ein Vielfaches aussagekräftiger ist: Magnetometer!
Für den Beobachter ist am Ende wichtig, gehe ich jetzt raus oder Nicht, bleibe ich noch oder war es das. Hier helfen Magnetometerdaten in Echtzeit. Ein sich zuvor aufgebautes (ansteigendes) Signal, das plötzlich absackt, kündigt Polarlicht in den nächsten Minuten an. Mal Polarlichtbeobachtungen hinterher mit Magnetometerdaten abgleichen. Die Ergebnisse faszinieren.
Ein Beispiel für Skandinavien findet man hier:
Link
(Bsp. von der Universität Tromsø)
Man beachte UTC, also Zeitzone London. Auf die richtige Zeitzone korreliert sind das Echtzeitdaten.
Ferner spielt es keine Rolle wo man bzgl. der geografischen Länge befindet, sondern nur die geographische Breite. Daten aus Norwegen gelten hier in gleichermaßen, zeitlich korreliert, für den gleichen Breitengrad, also z. B. auch Island.
Was beim Kp Index meiner Ansicht nach stets vergessen wird ist, das er auf Daten der Strahlung basiert, die sich mit nahezu Lichtgeschwindigkeit ausbreitet, folglich nach einem Ereignis innerhalb einer reichlichen Viertelstunde im Gebiet um die Erde detektiert werden kann. Die Polarlicht auslösenden Teilchen folgen erst Stunden später nach, im Schnitt 30-40 Stunden, abhängig von der Geschwindigkeit des Sonnenwindes.
Folglich ist der aktuelle Kp-Index ein Richtwert für etwas in 30-40 Stunden! Wann genau das liest am Magnetometer ab, es zeigt die Ankunft Det Schockfront am Erdmagnetfeld.
Herzliche Grüße
Hi Martin,
danke für die Rückmeldung. Hier in dem Bericht ging es mir aber eigentlich nur darum zu zeigen, dass man nicht zwangsweise hohe kp-Werte benötigt, um eine unvergessliche Show zu erleben (das glauben ja viele, auch wir dachten das früher).
Wir orientieren uns ausschließlich an den ca. 1 Std vorher vom Satelliten DSCOVR aufgezeichneten Sonnenwind-Daten -> Details im Bericht “Polarlichter Vorhersagen (für Fortgeschrittene)“. Das Ganze mag ev. kompliziert erscheinen, ist aber besser als die Magnetometer (= der von mir in den anderen Berichten erwähnten “H-Graph” in Island). Denn wenn man da nicht schon längst im Freien steht, wenn der Abfall registriert wird, hat man ev. schon die besten Momente oder – worst case – die ganze Show verpasst. Der isländische Graph wird leider nur alle 10 min aktualisiert…
Und nicht nur das, diese Daten spiegeln manchmal überhaupt nicht die wahren Gegebenheiten wider, siehe hierzu den Absatz “H-Graph” im Bericht Polarlichter beobachten.
Viel Glück beim Polarlichter-Schauen!
VG
Isa
Danke für die Hoffnung, die ihr mir macht. Ich bin bald in Abisko und die Prognosen für Nordlichter sehen nicht so gut aus. Jetzt habe ich doch noch Hoffnung
Hallo Ana, drücke die Daumen! Derzeit ist noch ordentlich etwas los am Himmel. Dann ab dem 20.10 wird es auch wieder toll (großer Sonnensturm vorhergesagt). Aber zwischendurch gibt es auch meist mehr als gedacht, wenn das Wetter passt!!!