Der Natur geht es an den Kragen …

Wehmütig sitzen wir nun vor den Bildern, die wir diesen Frühling aufgenommen haben. Zukünftig wird man vor der Factory Butte wahrscheinlich nur noch ATVs, Motorräder und den von ihnen aufgewirbelten Staub fotografieren können. So eine wunderschön blühende Wüste gehört dank BLM nun bis auf Weiteres der Vergangenheit an.Normalerweise geht es hier im Blog um schöne und besuchenswerte Plätze. Davon gibt es in den Weiten Nordamerikas zum Glück jede Menge. Noch! Denn neben der Zunahme von “Instagram Hot Spots” wie dem Horseshoe Bend, sorgt derzeit das BLM unter Naturliebhabern für reichlich Verdruss. Es werden aber nicht nur wunderschöne Badlands für Geländefahrzeuge freigegeben, man stellt obendrein haufenweise nicht gesetzeskonforme Bewilligungen für Ölbohrungen im Nordwesten New Mexicos aus und sorgt auch noch für absolute Schildbürgerstreiche bei gleich zwei Nationalmonumenten in Colorado. Und wer weiß, schon bald an der Cottonwood Canyon Road?

Es ist bedrückend, was sich in letzter Zeit so alles ereignet hat. Vieles davon wäre all die Dekaden zuvor, als Naturschutz noch groß geschrieben wurde in den Vereinigten Staaten, nahezu undenkbar gewesen. Dazu zählen Maßnahmen mit weltweiten Auswirkungen, die es auch bei uns in die Nachrichten schafften, wie z.B. der Rückzug aus dem Pariser Klimaschutzabkommen oder dass Teile des knapp 78.000 km² Arctic National Wildlife Refuge in Alaska zur Erdölförderung freigegeben wurden. Hinlänglich bekannt ist auch, dass der derzeit im Weißen Haus Amtierende das Grand Staircase-Escalante National Monument um fast 50% verkleinert und regelrecht “zerstückelt” hat und das erst Ende 2016 von Präsident Barack Obama erschaffene Bears Ears National Monument von den Karten gleich wieder nahezu verschwinden ließ (seine Fläche wurde um 85% reduziert!). In den ausgegliederten Gebieten liegen leider zu viele verborgene “Schätze” unter der Erde, mit denen sich Gewinne erzielen lassen (Öl, Gas, Kohle usw.). Und es könnte schon bald noch weiteren Nationalmonumenten an den Kragen gehen. Hier eine von der New York Times veröffentlichte (Endlos-)Liste mit den Gesetzesänderungen der vergangenen Monate: Link.

Es findet auch allerhand im kleineren Maßstab statt, Dinge die dennoch in der Summe nicht ohne Folgen bleiben. So bekam beispielsweise das Garfield County nach 35 Jahren erfolglosem Bemühens kürzlich vom BLM die Erlaubnis, Teile des Burr Trails östlich des Capitol Reef Nationalparks zu asphaltieren. Früher ging es in den USA noch meist darum entlegene Wildnis auch “wild” zu lassen. Ende der 1990er-Jahren war man sogar regelrecht erbost über die Veröffentlichung und Popularisierung der Wave. Heute scheint man den letzten Flecken noch einigermaßen intakter Natur für den Fun-Tourismus erschließen zu wollen. Das Erschreckende dabei ist, aber die Geschwindigkeit mit der so manches umgesetzt wird. Die Maschinen standen schon bereit vor Ort, als am Freitagnachmittag des 29. Aprils das Garfield County das OK vom BLM bekam. Das Schärfste dabei: Die offizielle Bekanntgabe fand erst am Montagnachmittag statt, so dass das County über das Wochenende den Vorsprung nutzte um sämtliche Gegner einfach vor vollendete Tatsachen zu stellen. Ein Großteil der Strecke war bis dahin schon frisch asphaltiert (Link). Es handelt sich um das Stück südlich der Burr Trail Switchbacks weiter in Richtung Bullfrog Marina. Diese Strecke ist nun fast durchgehend geteert. Wobei hier, wie gesagt, vor allem die Art und Weise wie das Ganze umgesetzt wurde, erschreckend ist.

Wirklich erschüttert hat uns aber das, was sich bei Hanksville abspielte: Keine 3 Wochen nach unserem Besuch verwandelte das BLM die Badlands rund um die Factory Butte in ein Quad-/ATV-Gebiet (Link und Karte). Und hier wieder, was für ein Timing! Dies geschah unmittelbar vor dem verlängerten Memorial Day Weekend, an dem bekanntermaßen in den USA überall die Hölle los ist. Entsprechend waren die sichtbaren Schäden, die die vielen Räder auf dem weichen Untergrund hinterlassen haben, kurz darauf auf Luftaufnahmen schon deutlich zu erkennen. Und das werden sie nun auch für viele, viele Jahre bleiben, selbst wenn das Gebiet – wider Erwarten – erneut gesperrt werden sollte.

Unvorstellbar, dass nur wenige Wochen nachdem wir die Wüste rund um die Factory Butte voller Wildblumen erlebt haben, dort nun die Offroad-Fahrzeuge herumbrettern dürfen.
Und zwar auf allen Hügeln und Flächen, auch in den ausgetrockeneten Flussbetten auf der Rückseite der Factory Butte, wo wir Anfang Mai zum Sonnenuntergang noch diesen Blumenteppich aus Purple Mat fotografiert haben.
Zahllose Schmetterlinge flatterten dort im April und Mai herum...

Die Badlands rund um die Factory Butte zeigen sich zwar die meiste Zeit des Jahres über im einheitlichen Grau, gehören aufgrund ihrer kuriosen Faltungen/Schichtungen aber mit zu den beeindruckendsten im Südwesten der USA (Video). Der Blick aus der Vogelperspektive von den Caineville Mesas ist atemberaubend – bzw. er WAR es! Hinzu kommt, dass manchmal nach einem feuchten Winter das vermeintlich “schlechte Land” (=badlands) sich in ein kleines Paradies verwandelt. Die zahllosen Schmetterlinge, die einem am Weg dorthin entgegen flattern, kündigen das Naturwunder schon an: Aus sämtlichen Lehmspalten auf der weiten Fläche vor der Factory Butte und in etlichen Washes zwischen den Erhebungen sprießen dann die Blümchen. Ein traumhaftes Potpourri aus gelben Bee Plants und einigen Golden Evening Primroses und mancherorts gesellen sich noch Purple Mat dazu. :x
(PS: Im Internet werden die lilafarbenen Blümchen in Hanksville recht oft als “Scorpionweed” bezeichnet, diese Pflanzenart sieht aber gänzlich anderes aus; wir haben sie bereits ebenfalls aus Lehmböden wachsen gesehen, allerdings im Death Valley)

An den Wildblümchen haben nicht nur die Schmetterlinge und wir Gefallen gefunden, auch den Kühen schmeckten die jungen, aus den Wüstenboden sprießenden Pflänzchen vorzüglich... :-(Wie wunderschön diese Gegend diesen Frühling war, lässt sich kaum in Worte beschreiben. Auch Fotos werden ihr kaum gerecht! Im April und auch Anfang Mai (wir sind gegen Ende des Urlaubs nochmal zurückgekehrt) herrschte dort eine herrliche Ruhe. Nur ein paar wenige Besucher fuhren zum Moonscape Overlook, aber ansonsten waren wir dort tagelang ganz alleine unterwegs. Wehmütig sitzen wir nun vor unseren Fotos, denn so wird man diese Region in den nächsten Jahren wahrscheinlich nicht mehr erleben können. Was mich vor Ort geärgert hatte, erscheint mir im Nachhinein jetzt schon eher lächerlich. Auf den Wildblumenwiesen weidete eine Kuhherde und der BLM-Ranger fand es lustig: “Oh yes, the wildflowers are tasty!”. Besonders absurd dabei: Dieser Ranger war da noch unterwegs um $180-Strafzettelchen zu verteilen an ATV-Fahrer, die sich abseits der ausgewiesenen Pisten bewegten. Der musste zu dem Zeitpunkt doch schon gewusst haben, dass das Gebiet nur wenig später eh dafür freigegeben wird!? Zur Draufgabe stapfte der Ranger am Weg zu seinem Auto noch mitten durch die schönsten Blümchenansammlungen…

Winzig klein ist der bedrohte Winklers Cactus, Mitte April machte er mit seinem überdimensionalen Blüten noch auf sich aufmerksam, bereits Anfang Mai hoben sich die gerade mal daumengroßen Gewächse vom Wüstenboden kaum mehr ab.Ziemlich grotesk ist auch die Tatsache, dass das BLM die Gegend 2006 unter Naturschutz gestellt hatte, um zwei bedrohte Kakteenarten zu schützen, den Wright Fishhook Cactus (Sclerocactus wrightiae) und Winkler’s Cactus (Pediocactus winkleri). Als größte Gefahr für das Überleben der endemischen Arten wurden damals die Reifen der ORVs hervorgehoben. Mitte Mai hat man jetzt herausgefunden, dass sie nun doch mit diesen Pflanzen kompatibel sind!? Zudem hatte man in jahrelangen Studien bereits einen Zusammenhang zwischen dem Rückgang der Fishhook-Kaktusart und weidenden Kühen festgestellt und ließ diese trotzdem überall grasen. Das Ganze erscheint wie ein schlechter Scherz…
Wir haben diesen Mini-Kaktus diesmal sogar gesehen, allerdings an einer anderer Stelle. Er ist wirklich unvorstellbar klein, nur durch seine überdimensionalen Blüten fällt er auf. Man kann ihn sonst kaum vom Wüstenboden unterscheiden.

Und es ist ja nicht so, dass den Leuten der Offroad-Spaß bisher verwehrt geblieben wäre. Denn ein Teil dieser Badlands unmittelbar am Hwy 24 war schon lange für ATVs und Motorräder ausgewiesen worden. Und jeder, der schon mal Swing Arm City (Video) gesehen hat, kann sich ausmalen wie es zukünftig zu Füßen der Factory Butte aussehen wird… Mal abgesehen vom dann immerzu gegenwärtigen Lärm… :(
Natürlich kann man es nicht allen recht machen, das BLM hat hier einen schweren Job, denn in den USA sind die Stimmen jener Leute, die sich auf Public Land “austoben” wollen (ATV, Schießen etc.) ebenfalls sehr laut. Und es wird gemunkelt, dass auch die finanziellen Interessen von den wenigen Geschäftsleuten aus Hanksville eine Rolle gespielt haben…


Das BLM hat sich aber noch anderorts nicht gerade mit Ruhm bekleckert. In das Thema müsste man sich etwas mehr einlesen, um alle Zusammenhänge zu verstehen. Aber ich weiß nicht, ob man das wirklich will… :(
Folgende drei Artikel, erschienen bei “High Country News”, geben aber schon einen kleinen Einblick, was rund um den Chaco Canyon und anderen Stellen in New Mexico in den letzten Jahren so los war/ist: “Wie das BLM in Farmington alles andere als gesetzeskonform handelt und illegalerweise Permits für die Fracking-Industrie ausstellt“, “Was den Native Americans zugemutet wird, weil ihnen in der Chaco Canyon Gegend nur das Land an der Oberfläche gehört und nicht das Öl und Gas darunter…” und “Was die einheimische Bevölkerung durch das Fracking erdulden muss und wie sie wegen der rasenden Öl-Trucks sogar um ihr Hab und Gut fürchten müssen“. Wer schon mal die Aztec Arches besucht hat, weiß wie übel und geschundscheitsschädlich es selbst in der Umgebung von Mini-Fracking-Anlagen riechen kann. Und es schaudert mich auch jetzt noch, wenn ich an das Gebiet westlich von Bakersfield denke (-> “America at its worst“).


Zu den größten Schildbürgerstreichen der letzter Zeit zählt aber sicher das, was sich das BLM beim Canyon of the Ancients NM und Hovenweep NM geleistet hat. Seit letztem Sommer gibt es jede Menge Zwistigkeiten, denn man hat dort Land verkauft und der neue Eigentümer erlaubt die Durchfahrt nicht mehr mit der Konsequenz, dass Bereiche in beiden Nationalmonumenten für die Öffentlichkeit nicht mehr wie gehabt zugänglich sind. Zur hübschen Painted Hand Ruin kommt man nur noch auf Schusters Rappen und das Gebiet rund um das Cutthroat Castle, ein größerer Ruinenkomplex der Ureinwohner, kann gar nicht mehr besucht werden (Link). Man arbeitet nun bis 2020 an einer Lösung für das selbst generierte Problem…


Angesichts dessen fragt man sich, was zukünftig an der Cottonwood Canyon Road noch so alles möglich sein wird… Denn auch dort werden fleißig Grundstücke verkauft. Peter (wir haben ihn und Dagmar im letzten Urlaub drüben mehrfach getroffen :) ) wollte seinen Augen nicht trauen angesichts der zahlreichen FOR SALE-Schilder, die man entlang der Straße zwischen dem Paria Box Canyon und dem Yellow Rock angebracht hatte (siehe Fotos unten). Wer will, kann also dort nun an der Cottonwood Canyon Road ehemaliges GSENM-Land erwerben, darin rumbuddeln, nach Öl bohren oder einfach die Leute nicht mehr durchlassen… Mir fällt es leider echt schwer, das ohne Sarkasmus zu schildern… Immerhin wird gegen die Verkleinerung des GSENM noch geklagt!

Wer schon immer von einer Immobilie an der Cottonwood Canyon Road geträumt hat, kann jetzt zuschlagen...
Eine Freude, Schilder dieser Art auf ehemaligem GSENM-Gebiet zu sehen. Angesichts dessen, was sich in Colorado ereignet hat, muss man sich die Frage stellen, ob möglicherweise manches Wandergebiet in Cottonwood Canyon Road Nähe auch bald für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich sein könnte...

BLM steht ja eigentlich für “Bureau of Land Management”, langsam aber doch, fragt man sich, ob die Abkürzung in manchen Countys nicht eher “Land MISmanagement” bedeuten sollte…
Das ist leider das einzige Fazit, das mir angesichts all dieser Ereignisse zum Abschluss einfällt.