Langzeit-Vorhersagen für Polarlichter

Schon erstaunlich, von den gigantischen Sonnenstürmen um die Jahrtausendwende hat unsereiner kaum etwas mitbekommen. Dabei konnte man allein im Jahr 2003 an weit über 200 Tagen geniale Polarlichter beobachten. Die Sonne war damals um ein Vielfaches aktiver als beim jetzigen Sonnenzyklus und erfuhr dennoch keine bzw. kaum (mediale) Aufmerksamkeit. Ähnlich verhält es sich mit dem Thema “Langzeit-Vorhersagen”, über das man selbst im englischsprachigen World Wide Web so gut wie keine Infos findet. Daher möchte ich mich heute mal etwas näher damit befassen, ein aktueller Anlass inspiriert mich gerade dazu… :)

In meinem längeren Blog über das Polarlichter-Fotografieren hatte ich es bereits kurz angesprochen. Damals war ich mir allerdings noch nicht im Klaren, wie zutreffend die 27-Tage-Prognose der NOAA (Link) sein kann. Überall wird nur beschrieben, wie aufgrund eines koronalen Massenauswurfs auf der Sonne die Partikelstürme nach 2-5 Tagen auf der Erde für Aurora-Erscheinungen sorgen können. Und da sich selbst die kurzfristigen 3-stündigen K-Indizes immer wieder als reine Kaffeesatzleserei herausstellten und vermeintliche Sonnenstürme nie eintrafen (selber schon erlebt), dachte ich fälschlicherweise, dass alle Prognosen, die noch weiter in die Zukunft blicken, reinster Humbug sind. Dem ist aber ganz und gar nicht so. Die letzten Monate sollten uns eines Besseren belehren. Zum einen war da das “Koronale Loch” von Heiko (siehe Blog “Polarlichter im Sommer“), das auch uns 1 Monat später ein herrliches Schauspiel bescherte, und heute Nacht gab es ein Wiedersehen mit der bereits Ende September aktiven Sonnenregion.

Ähnlich wie die Erde rotiert auch unser Zentralgestirn, in “27 Tagen” dreht es sich einmal um die eigene Achse. Allerdings spielt sich das Ganze auf einer Gaskugel etwas anders ab als auf unserem Planeten. Aktive Regionen, die sich in Äquatornähe befinden, sind nach 25 Tagen wieder der Erde zugewandt, bei jenen in Sonnenpolnähe dauert es ein ganzes Stück länger (bis über 31 Tage!). Und bei einem Koronalem Loch oder einer sehr großen Sonnenfleckansammlung darf man durchaus berechtigte Hoffnung haben, dass diese auch nach einer vollen Umdrehung noch immer aktiv sind. Wobei Koronale Löcher ungleich verlässlicher sind, denn aus ihnen entweichen unentwegt Partikelströme, die bei uns auf der Erde Polarlichter erzeugen. Sonnenflecken können zwar viel heftigere geomagnetische Stürme verursachen, aber sie tun dies nur sehr sporadisch (und die übrige Zeit haben sie keine Auswirkungen…)

Es ist nun genau 29 Tage her, dass wir aus Island zurückgekehrt sind. In der Nacht vor unserem Abflug begann der sagenhafte Sonnensturm, der bis Anfang Oktober tagelang für ein gigantisches grünes Feuerwerk am nächtlichen Firmament sorgte. Gleich mehrere aufeinanderfolgende Nächte mit Kp=6! Und wir durften leider nur einen kleinen Vorgeschmack auf diese verrückte Woche miterleben. So ging es auch Freunden von uns, die am selben Tag wie wir wieder nach Hause geflogen sind. Mit dem Unterschied allerdings, dass die 27-Tage-Prognose Volker keine Ruhe gelassen hat. Dieselbe aktive Region sollte nach einer vollen Sonnenumdrehung wohl so um den 24.10 wieder der Erde zugewandt sein. Und da sich an dieser Vorhersage offensichtlich auch nichts mehr änderte, hat Volker vor 2 Wochen ganz spontan einen Flug gebucht – gerade mal 4 Nächte und mit der Hoffnung zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein.
Man glaubt es kaum, aber es gibt Leute, die noch verrückter nach Polarlichter sind, als Steffen… :D

Aber es hat geklappt! Und wie! Während sich die Lichter gestern auf Snaefellsnes und am Hraunfossar noch sehr verhalten zeigten, kam es heute gegen 1 Uhr morgens zu einer wahren Farbexplosion. Auch ohne Mond wurde die Nacht zum Tag, der gesamte Himmel oberhalb des Godafoss war voller grüner und roter Polarlichterbögen. Und der Wasserfall selbst zeigte sich in Quietschgrün. Wenn ich selber nicht schon Ähnliches erlebt hätte, würde ich wohl annehmen, dass da nur jemand wieder mal mit der Bildbearbeitung reichlich übertrieben hat… Aber diese zwei schnellen Schnappschüsse von Volkers Kameradisplay lassen erahnen, was das für eine Nacht gewesen sein muss, und zeigen, wie wunderschön und “übernatürlich” unsere Natur sein kann! :x

 

 

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So eine Spontanplanung anhand der 27-Tage-Prognose kann also die Chancen sagenhafte Polarlichter zu erleben ungemein erhöhen. Auch jener Sturm, den wir Mitte September am Lake Myvatn erleben durften, kam Mitte Oktober zurück und das sogar mit einem Kp-Wert von 5.

Das vielleicht mal als Tipp, für alle die noch unentschlossen sind und diesen Winter doch noch die grün tänzelnden Lichter mal mit eigenen Augen sehen möchten! Leider ist mittlerweile etwas Eile angesagt, denn die Wahrscheinlichkeit, so ein Spektakel zu erleben wie Anfang Oktober oder heute Nacht, wird leider in den kommenden Jahren immer geringer. Wir nähern uns langsam wieder dem Minimum des Sonnenzyklus (Grafik). Was das heißt, verdeutlicht die Statistik für das Jahr 2009. Damals gab es gerade mal an 4 (!) Tagen einen Kp-Wert > 3,67. Unter den Umständen kann man sich den langen Weg Richtung Norden getrost sparen…!

2015 wurde dieser Kp-Wert an mehr als 55 Tagen/Nächten überschritten und heuer war dies bereits 26x der Fall. Und alle Sonnenstürme, die mindestens einen Kp=4 aufweisen, sorgen meistens für ein berauschendes Erlebnis – vorausgesetzt natürlich man befindet sich in nördlicheren Breiten und hat gutes Wetter! ;)
Diese Nacht wurde übrigens auch “nur” ein 4er registriert, heute und morgen soll es allerdings noch einen 6er geben, da wird es am Firmament wieder ordentlich krachen! Und Volker ist weiterhin live vor Ort und alles nur wegen der 27-Tage-Prognose. :)

Eine 100%ige Garantie gibt es aber auch damit natürlich nicht! Es hätte ebenso gut nicht klappen können. Aber so hat man wenigstens einen Anhaltspunkt mehr um zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. Hoffe, der Blog hilft auch dem ein oder anderen von Euch weiter!
Wir wünschen Euch jedenfalls ganz viel Glück bei der Polarlichter-Jagd! %%- %%- %%-

Wichtiger Hinweis: Die 27-Tage-Vorhersage spielt eine große Rolle – so wie jetzt – während der Abklingphase des Solarmax. Nur dann sind Koronale Löcher in großer Zahl vorhanden. Während eines Solarmax und auch kurz davor sind auf unserer Sonne vor allem Sonnenflecken zu finden. Diese sind weitaus instabilere Strukturen, die sich oft schon nach wenigen Tagen wieder auflösen und seltener eine ganze Sonnenumdrehung überstehen. Und selbst wenn sie erneut erscheinen nach 27 Tagen, weiß man nie, ob wirklich etwas passieren wird. Sie können zwar – wie oben schon erwähnt – extrem tolle Aurora-Events verursachen, aber leider nur selten und völlig unvorhersehbar. Und die 27-Tage-Prognosen sind in solchen Zeiten dann eigentlich reine Kaffeesatzleserei …