Quo vadis, Lake Powell?
In kaum einer anderen Region im Südwesten der USA wird einem der Klimawandel und die mittlerweile über zwei Jahrzehnte anhaltende Dürre so klar vor Augen geführt wie beim Lake Powell in der Glen Canyon National Recreation Area im Grenzgebiet von Utah und Arizona. Nicht nur die Einheimischen sind davon betroffen, auch Touristen sehen und spüren die Auswirkungen. Denn mittlerweile sind beliebte Bademöglichkeiten verschwunden und sogar Nationalmonumente wie die Rainbow Bridge nicht mehr besuchbar.
Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen: Mit Errichtung des Glen Canyon Damms im Jahr 1962, staute sich der Colorado River auf einer Länge von 300 km und es entstand ein gigantischer See mit schier zahllosen Seitenarmen und Buchten. Seine Uferlinie – sagenhafte 3.000 km – war länger als die Westküste der USA! Stabiles Wetter und eine nahezu immer strahlende Sonne boten beste Voraussetzungen für aktiven Badeurlaub, tiefblaues Wasser und knallrote Felsen die perfekte Kulisse dafür. Der Lake Powell wurde in kürzester Zeit zu einer überaus beliebten Ferienregion und zum schönsten Hausbootrevier der USA. Im Rekordjahr 2017 zählte man in der Glen Canyon National Recreation Area über 4,5 Millionen Gäste. Und das war ganz sicher nur ein Bruchteil der tatsächlichen Besucherzahl, denn Leute wie wir, die z.B. nur den Sonnenuntergang am Alstrom Point erleben wollen, fallen durch alle Raster und werden statistisch nicht erfasst. Ebensowenig die vielen Touristen, die nur kurz mal zum Lone Rock oder zum Wahweap Overlook schauen. Eintritt zahlen oder den Interagency Pass vorzeigen muss man ja nur an ganz wenigen Orten wie an der Zufahrt zur Wahweap Marina zum Beispiel.
Wie tief ist der Wasserpegel am Lake Powell gesunken?
Den höchsten Wasserstand verzeichnet der See jedes Jahr zwischen Juli und September und den tiefsten jeweils in den Monaten März/April (siehe Foto oben), kurz bevor die große Schneeschmelze in den Rocky Mountains einsetzt. Seit 2001 nahm sein Wasservorrat jedoch kontinuierlich ab, auch die etwas schneereicheren Jahre zwischendurch konnten daran nichts ändern. Im April 2022 befand sich der Pegel des Stausees auf einem historischen Tief bei knapp über 3.520 Fuß über NN (aktuelle Messwerte). Als »full pool« hatte man die im Sommer 1983 erreichte Höhe von 3.700 ft definiert. Durch diese verlorenen 180 ft (55 m) sind über 3/4 des Wasservorrats abhandengekommen.
Welche Konsequenzen hat der große Wasserverlust?
Für die Bevölkerung steht leider viel auf dem Spiel. Eine Stromerzeugung am Glen Canyon Damm, der knapp 6 Millionen Menschen versorgt, ist unterhalb von 3.490 ft nicht mehr möglich. Und diese Marke könnte – neuesten Prognosen zufolge – sogar im Sommer 2023 schon erreicht werden, spätestens aber 2024 oder 2025. Von den Problemen flussabwärts ganz zu schweigen, denn dort schwebt ein noch schwerwiegenderes Damoklesschwert über dem Hoover Dam und Lake Mead, der für 30 Mio. die Lebensbasis schafft.
Vorübergehend etwas Erleichterung könnte ein Reduzieren des Durchflusses am Glen Canyon Damm (Infos) und das Ablassen des Flaming Gorge Reservoirs verschaffen (so beschlossen im Mai 2022; Infos), aber eine dauerhafte Lösung ist auch das sicherlich nicht.
Der Durchschnittstourist wird primär das Abhandenkommen der tollen Möglichkeiten zum Schwimmen, Campen und Bootfahren spüren. Vielerorts sind die weißen Kalkränder (sog. “bathtub rings”) an den Felsen nicht zu übersehen und einige Plätze kaum wiederzuerkennen. Hier ein recht erschreckender Vorher-/Nachher-Vergleich (das Scrollen geht am Desktop besser ).
Steile Klippen ragen unterhalb einstiger Bootsrampen und Badestrände empor. Derzeit gibt es am Lake Powell nur noch zwei Stellen, an denen man ein Boot zu Wasser lassen kann. Jede Menge Beton war nötig für die Verlängerung der Bullfrog Ramp und der Wahweap Stateline Auxiliary Launch Ramp gleich neben der nun geschlossenen “Swim Beach” in der Wahweap Marina.
Auch der einst familienfreundliche Lone Rock Campground liegt mittlerweile fernab vom Ufer.
Per Fahrzeug ist der Lake Powell an kaum einer Stelle mehr zugänglich, die Autofähre zwischen den ehemaligen großen Marinas Bullfrog und Halls Crossing musste auch 2021 eingestellt werden.
Und selbst per Boot ist schon lange nicht mehr jeder sehenswerte Ort erreichbar. So wurden u.a. die Touren zum Rainbow Bridge National Monument bis auf Weiteres ausgesetzt; aktuelle Infos unter www.nps.gov/rabr. Zum »versteinerten Regenbogen« – etwa 50 km Luftlinie von Page entfernt – gelangt man nur noch mit einem angemieteten Boot. Aber auch davon wird abgeraten, weil es dort keine Bootsstege und Ankermöglichkeiten mehr gibt. Ein Besuch auf dem Landweg wird für die wenigsten in Frage kommen. Man benötigt dafür mehrere Tage (40 km hin und retour) und ein hiking & camping permit ($12 pro Person) von der Navajo Nation (Infos).
www.nps.gov/glca/learn/changing-lake-levels.htm
Nicht verschweigen darf man allerdings, dass das Verschwinden des Sees auch längst vergessene Schätze wieder zutage bringt. Man hatte ja in den 1960er- und 70er-Jahren eine Wüstenareal gigantischen Ausmaßes überflutet, eine einst wunderschön zerklüftete Canyonlandschaft. Nun kommt sie peu à peu wieder zum Vorschein: So zeigen sich neuerdings die geheimnisvolle Grotte “Cathedral of the Desert” und eine der größten Felsbrücken der USA, die “Gregory Natural Bridge”, wieder in all ihrer Pracht.
Und Native Americans, die durch den Stausee heilige Plätze und das Land ihrer Vorfahren verloren hatten, sehen die derzeitige Entwicklung auch durchaus positiv, ebenso Umweltschützer, die seit jeher von einem schrecklichen “Lake Foul” bzw. von “America’s most regretted environmental mistake” sprechen.
Und sie haben durchaus Grund zur Freude, denn die Natur in den einst überfluteten Seitenarmen vermag sich schneller zu regenerieren als ursprünglich angenommen.
So oder so, die Zukunft des Lake Powell scheint besiegelt. Und es ist wohl eher nur noch eine Frage der Zeit, bis ein sog. “dead pool” (3.370 ft) erreicht ist, wenn kein Wasser mehr durch den Glen Canyon Damm abfließen kann (Infos).
Wo kann man derzeit den Lake Powell besuchen?
Einen tollen Panoramablick auf den Lake Powell bietet der leicht zu erreichende und mit einem überdachten Picknickplatz ausgestattete Wahweap Overlook (GPS: 36.968783, -111.499160) auf einem Hügel unweit der #89 am Ende der kurzen Stichstraße zwischen den beiden Zufahrten zur Wahweap Marina. Landschaftlich sehr reizvoll war bei höherem Wasserstand auch der abenteuerliche Ausflug zum Aussichtspunkt Alstrom Point oberhalb der (einst sagenhaften) Padre Bay. Dorthin geht es aber nur per SUV über die unbefestigte Smoky Mountain Road (Zeitbedarf ab Big Water 1,5-2 Stunden one-way für die 25 Meilen; bebilderte Wegbeschreibung inklusive GPS-Track unter www.canyonmurmel.de). Bei guten Bedingungen sind nur die letzten zwei Meilen vor dem Aussichtspunkt etwas anspruchsvoller, nach Regen ist die Lehmpiste durch diesen Teil der Glen Canyon National Recreation Area selbst für Allrad-Fahrzeuge zu rutschig.
Wer sich ein gutes Bild über die Lage am Lake Powell verschaffen möchte, schaut am besten ins Carl Hayden Visitor Center am Nordende des Glen Canyon Damms. Dort werden der Dammbau und das System der “Colorado River”-Stauseen eindrucksvoll thematisiert; geöffnet täglich 8-18 Uhr im Sommer, sonst bis 16/17 Uhr. Den besten Blick auf die riesige Staumauer hat man aber vom Glen Canyon Dam Overlook, erreichbar über die Scenic View Road in Page. Dafür biegt man bei der nördlichen Ortsausfahrt (North Lake Powell Blvd) nicht auf den Hwy 89 ab, sondern fährt geradeaus weiter bis zum Parkplatz (Schild “Scenic View”). Von dort führt dann ein kurzer Fußweg bis zum Aussichtspunkt.
sowie ein exzellenter CNN-Bericht über die komplexe Aufteilung der Wasserrechte zwischen den einzelnen US-Staaten entlang des Colorado Rivers
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Ich wünsche euch viel Vorfreude beim Planen und eine tolle Reise!
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Hallo Isa,
der Lake Powell ist tatsächlich ein wahres Trauerspiel. 1998 bin ich dort noch mit Steffen Jet-Ski gefahren, bei unserem Besuch 2002 waren schon die Rückgänge sichtbar. Und meine Erlebnisse 2022 toppten das noch.
Wir wollten vom Wahwaep-Campingplatz ans Wasser und sind 2,5km in Badehose umhergeirrt. Man hätte wohl auf die Rezeption hören sollen, welche die Fahrt mit dem Auto zur Badestelle an anderer Stelle empfohl. Die Launch-Ramp beim Campingplatz ist nun zwar satte 500m lang, verfügt aber über keinen Zugang zum See mehr. Auch unsere frühere Badestelle ist nun eher ein Steilufer. Wir haben dann auf dem Campingplatz (pro Nacht 108 Dollar) Duschmarken kostenpflichtig erworben. Als Dank gab es wenigstens kaltes Wasser. Dafür war der gleich in der Nähe gelegene 1.5 mi lange Rundkurs Beehive Trail eine gute Entschädigung für die wegen Hitze gesperrte Fire Wave und losglück-geplagte The Wave. Denn wer etwas sucht findet dort “The New Wave”, welche nicht so farbenprächtig und ausgeprägt ist, aber dennoch in jedem Fotoalbum eine gute Figur abgibt.
Enttäuscht war ich nicht nur vom Lake Powell, sondern auch vom Horseshoe Bend. Landschaftlich immer noch topp, darf man nun für 10 Dollar Eintritt einen Blick drauf werfen. Dafür gibt es einen tollen Parkplatz und schick ausgebaute Wege und an der Kante viele Selfie-Protagonisten Generell sind alle Aktivitäten rund um Page recht teuer (sei es der Eintritt in die Slot-Canyons oder Aktivitäten auf dem Wasser). Wir haben uns dennoch eine Paddeltour um den Horseshoe Bend gegönnt und hatten um 6 Uhr die Felsenwelt unterhalb des Glen Canyon Dams (dank Backhaul-Taxi-Service von Lee’s Ferry) noch ganz allein für uns. Die zwei ausgedehnten Badestopps im klaren Wasser des Colorado inmitten der roten Felsenwelt waren ein unvergesslicher Höhepunkt unserer Reise.
Beste Grüße aus Dresden-Kleinzschachwitz,
André
Hallo André, da können wir echt froh sein, dass wir damals so schöne Touren gemacht haben und die Natur noch ohne Beschränkungen praktisch für uns alleine hatten. Zum Glück hat euch der Paddelausflug diesmal etwas entschädigt!
Viele Grüße von nebenan,
Steffen