Quo vadis, Lake Powell?

So sieht es am Alstrom Point nicht mehr aus. Das Bild entstand bei unserem letzten Besuch im April 2019, als der Wasserpegel am Lake Powell auch schon tief war. Im April 2022 hätte man aber bei diesem Motiv fast gar kein Wasser mehr gehabt.In kaum einer anderen Region im Südwesten der USA wird einem der Klima­wan­del und die mittlerweile über zwei Jahrzehnte anhaltende Dürre so klar vor Au­gen geführt wie beim Lake Powell in der Glen Can­yon National Recreation Area im Grenzgebiet von Utah und Arizona. Nicht nur die Einheimischen sind davon betroffen, auch Touristen sehen und spüren die Auswirkungen. Denn mittlerweile sind beliebte Bademöglichkeiten verschwunden und sogar Nationalmonumente wie die Rainbow Bridge nicht mehr besuchbar.

Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen: Mit Errichtung des Glen Can­yon Damms im Jahr 1962, staute sich der Colorado River auf einer Länge von 300 km und es entstand ein gigantischer See mit schier zahllosen Seitenarmen und Buchten. Seine Uferlinie – sagenhafte 3.000 km – war länger als die Westküste der USA! Stabiles Wetter und eine nahezu immer strahlende Sonne boten beste Voraussetzungen für aktiven ­Badeurlaub, tiefblaues Wasser und knallrote Felsen die perfekte Kulisse dafür. Der Lake Powell wurde in kürzester Zeit zu einer überaus beliebten Ferienregion und zum schönst­en Hausbootrevier der USA. Im Rekordjahr 2017 zählte man in der Glen Canyon National Recreation Area über 4,5 Millionen Gäste. Und das war ganz sicher nur ein Bruchteil der tatsächlichen Besucherzahl, denn Leute wie wir, die z.B. nur den Sonnenuntergang am Alstrom Point erleben wollen, fallen durch alle Raster und werden statistisch nicht erfasst. Ebensowenig die vielen Touristen, die nur kurz mal zum Lone Rock oder zum Wahweap Overlook schauen. Eintritt zahlen oder den Interagency Pass vorzeigen muss man ja nur an ganz wenigen Orten wie an der Zufahrt zur Wahweap Marina zum Beispiel.

Wie tief ist der Wasserpegel am Lake Powell gesunken?

Den höchsten Wasserstand verzeichnet der See jedes Jahr zwischen Juli und September und den tiefsten jeweils in den Monaten März/April (siehe Foto oben), kurz bevor die große Schneeschmelze in den Rocky Mountains einsetzt. Seit 2001 nahm sein Wasservorrat jedoch kontinuierlich ab, auch die etwas schneereicheren Jahre zwischendurch konnten daran nichts ändern. Im April 2022 befand sich der Pegel des Stausees auf einem historischen Tief bei knapp über 3.520 Fuß über NN (aktuelle Messwerte). Als »full pool« hatte man die im Sommer 1983 erreichte Höhe von 3.700 ft definiert. Durch diese verlorenen 180 ft (55 m) sind über 3/4 des Wasservorrats abhandengekommen.

Welche Konsequenzen hat der große Wasserverlust?

Für die Bevölkerung steht leider viel auf dem Spiel. Eine Stromerzeugung am Glen Can­yon Damm, der knapp 6 Millionen Menschen versorgt, ist unterhalb von 3.490 ft nicht mehr möglich. Und diese Marke könn­te – neuesten Prognosen zufolge – sogar im Sommer 2023 schon erreicht werden, spätestens aber 2024 oder 2025. Von den Problemen flussabwärts ganz zu schweigen, denn dort schwebt ein noch schwerwiegenderes Damoklesschwert über dem Hoover Dam und Lake Mead, der für 30 Mio. die Lebensbasis schafft.
Vorübergehend etwas Erleichterung könnte ein Reduzieren des Durchflusses am Glen Canyon Damm (Infos) und das Ablassen des Flaming Gorge Reservoirs verschaffen (so beschlossen im Mai 2022; Infos), aber eine dauerhafte Lösung ist auch das sicherlich nicht.

Der Durchschnittstourist wird primär das Abhandenkommen der tollen Möglichkeiten zum Schwimmen, Campen und Bootfahren spüren. Vielerorts sind die weißen Kalkränder (sog. “bathtub rings”) an den Felsen nicht zu übersehen und einige Plätze kaum wiederzuerkennen. Hier ein recht erschreckender Vorher-/Nachher-Vergleich (das Scrollen geht am Desktop besser ;) ).
Steile Klippen ragen unterhalb eins­tiger Bootsrampen und Badestrände empor. Derzeit gibt es am Lake Powell nur noch zwei Stellen, an denen man ein Boot zu Wasser lassen kann. Jede Menge Beton war nötig für die Verlängerung der Bullfrog Ramp und der Wahweap Sta­tel­ine Auxiliary Launch Ramp gleich neben der nun geschlossenen “Swim Beach” in der Wahweap Marina.

Auch der einst familienfreundliche Lone Rock Campground liegt mittlerweile fernab vom Ufer.
Per Fahrzeug ist der Lake Powell an kaum einer Stelle mehr zugänglich, die Autofähre zwischen den ehemaligen großen Marinas Bullfrog und Halls Crossing musste auch 2021 eingestellt werden.
Und selbst per Boot ist schon lange nicht mehr jeder sehenswerte Ort erreichbar. So wurden u.a. die Touren zum Rainbow Bridge National Monument bis auf Weiteres ausgesetzt; aktuelle Infos unter www.nps.gov/rabr. Zum »versteinerten Regenbogen« – etwa 50 km Luftlinie von Page entfernt – gelangt man nur noch mit einem angemieteten Boot. Aber auch davon wird abgeraten, weil es dort keine Bootsstege und Ankermöglichkeiten mehr gibt. Ein Besuch auf dem Landweg wird für die wenigsten in Frage kommen. Man benötigt dafür mehrere Tage (40 km hin und retour) und ein hiking & camping permit ($12 pro Person) von der Navajo Nation (Infos).

Einen guten Überblick zur aktuellen Lage an allen Marinas gibt die Seite des National Park Service:
www.nps.gov/glca/learn/changing-lake-levels.htm

Nicht verschweigen darf man allerdings, dass das Verschwinden des Sees auch längst vergessene Schätze wieder zutage bringt. Man hatte ja in den 1960er- und 70er-Jahren eine Wüs­tenareal gigantischen Aus­maßes überflutet, eine einst wunderschön zerklüftete Can­yon­land­schaft. Nun kommt sie peu à peu wieder zum Vorschein: So zeigen sich neuerdings die geheimnisvolle Grotte “Cathedral of the Desert” und eine der größten Felsbrücken der USA, die “Gregory Natural Bridge”, wieder in all ihrer Pracht.
Und Native Americans, die durch den Stausee heilige Plätze und das Land ihrer Vorfahren verloren hatten, sehen die derzeitige Entwicklung auch durchaus positiv, ebenso Umweltschützer, die seit jeher von einem schrecklichen “Lake Foul” bzw. von “America’s most regretted environmental mistake” sprechen.
Und sie haben durchaus Grund zur Freude, denn die Natur in den einst überfluteten Seitenarmen vermag sich schneller zu regenerieren als ursprünglich angenommen.
So oder so, die Zukunft des Lake Powell scheint besiegelt. Und es ist wohl eher nur noch eine Frage der Zeit, bis ein sog. “dead pool” (3.370 ft) erreicht ist, wenn kein Wasser mehr durch den Glen Canyon Damm abfließen kann (Infos).

Wo kann man derzeit den Lake Powell besuchen?

Einen tollen Panoramablick auf den Lake Powell bietet der leicht zu erreichende und mit einem überdachten Picknickplatz ausgestattete Wahweap Overlook (GPS: 36.968783, -111.499160) auf einem Hügel unweit der #89 am Ende der kurzen Stichstraße zwischen den beiden Zufahrten zur Wahweap Marina. Landschaftlich sehr reizvoll war bei höherem Wasserstand auch der abenteuerliche Ausflug zum Aussichtspunkt Alstrom Point oberhalb der (einst sagenhaften) Padre Bay. Dorthin geht es aber nur per SUV über die unbefestigte Smo­ky Moun­tain Road (Zeitbedarf ab Big Water 1,5-2 Stunden one-way für die 25 Meilen; bebilderte Wegbeschreibung inklusive GPS-Track unter www.canyonmurmel.de). Bei gu­ten Bedingungen sind nur die letzten zwei Meilen vor dem Aussichtspunkt etwas anspruchsvoller, nach Regen ist die Lehmpiste durch diesen Teil der Glen Canyon National Recreation Area selbst für Allrad-Fahrzeuge zu rutschig.

Wer sich ein gutes Bild über die Lage am Lake Powell verschaffen möchte, schaut am besten ins Carl Hay­den Visitor Center am Nordende des Glen Canyon Damms. Dort werden der Dammbau und das System der “Colorado River”-Stauseen eindrucksvoll thematisiert; geöffnet täglich 8-18 Uhr im Sommer, sonst bis 16/17 Uhr. Den besten Blick auf die riesige Staumauer hat man aber vom Glen Can­yon Dam Overlook, erreichbar über die Scenic View Road in Page. Dafür biegt man bei der nördlichen Ortsausfahrt (North Lake Powell Blvd) nicht auf den Hwy 89 ab, sondern fährt geradeaus weiter bis zum Parkplatz (Schild “Scenic View”). Von dort führt dann ein kurzer Fußweg bis zum Aussichtspunkt.

Last but not least, hier noch der Link zu einem lesenswerten (sehr langen) Artikel über dieses Thema bei Deseret News -> When the desert runs dry
sowie ein exzellenter CNN-Bericht über die komplexe Aufteilung der Wasserrechte zwischen den einzelnen US-Staaten entlang des Colorado Rivers

 


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