Bentonite Hills – Wenn die Natur plötzlich nicht mehr schön genug ist…

Ist die Natur nicht wunderschön!? Die Badlands, die derzeit im Web für Furore sorgen, sind aber kein bisschen türkis, schon gar nicht pink oder himmelblau. Und sie liegen auch nicht in den Vermilion Cliffs oder in den Bentonite Hills des Capitol Reef Nationalparks, sondern mitten im Niemandsland nordwestlich von Hanksville.Sie können unglaublich farbenfroh sein, die Badlands im Südwesten der USA, und vielerorts sind sie fast unwirklich schön. Seit geraumer Zeit geistern allerdings allerlei türkise, pinke und himmelblaue Hügelformationen durch das World Wide Web. Und ich wunder mich schon seit Monaten über die Euphorie, die diese Bilder auslösen und auch darüber wie wenig Leute merken, dass diese Farben mit der Realität rein gar nichts mehr zu tun haben. Denn wer diese “Kunstwerke” genauer anschaut oder miteinander vergleicht, erkennt schnell, dass die Streifen auf den Badlands mitunter nicht durchgängig gefärbt sind und an manchen Stellen plötzlich “langweilig” grau aussehen. Diese Bereiche hat man wohl versehentlich vergessen anzupinseln…?

Als nun gestern mir ein lieber Freund, der schon sehr oft im Südwesten war, eines dieser Bilder mit einem “Wow!” geschickt hat, dachte ich mir: Es ist wirklich höchste Zeit für einen Blog! ;)
Um was genau geht es? Um Fotos wie z.B. dieses hier oder hier. Wer “Bentonite Hills” bei der Google-Bildersuche eingibt, wird schnell fündig. Und wenn man dann eines der Fotos anklickt, wird einem unter “ähnliche Bilder” ein wahres Kabinett des Grauens geboten. Sorry, Martin, den Spruch musste ich klauen, der passt einfach so gut! :D
Bei einigen steht auch “St. George Utah” (gut 300 km davon entfernt…) oder “Vermilion Cliffs” (ebenfalls recht weit weg) in der Bildunterschrift. “Fantasialand” wäre aber vermutlich die korrekteste Ortsangabe…

Die Suche nach diesem besonderen Hügel begann im Juni 2019, als Martin mir einen Link zu einer Drohnenaufnahme (vermeintlich aus den “Vermilion Cliffs”) mit der Frage geschickt hat, ob denn das die Bentonite Hills am Weg zum Cathedral Valley sind. Meine Antwort damals war: “Tippe eher auf Mars und dann Gemälde. Bei den Bentonites hast du meines Wissens nirgends so ein Rim.” Dass es in den Badlands rund um die Mars Station nahezu nur Rottöne gibt, hatte ihn sichtlich irritiert. In den Bentonites hingegen findet man auch einige Lilatöne (wenn schon nicht türkis, dann wenigstens lila! ;) ). Aber mit Photoshop kann man sogar Experten verwirren. :D
Steffen und ich hatten damals kurz zuvor die Mars Desert Research Station besucht, die Muster und Abfolge der Streifen auf dem Hang hinter dem Gebäude waren daher noch ganz “frisch” in meinem Kopf abgespeichert. Aus diesem Grund fingen wir auch dort im Niemandsland nordwestlich von Hanksville an zu suchen. Und es sollte gar nicht lange dauern, bis Martin mir einen Handyscreenshot mit dem dazu passenden Satellitenbild schickte. Ein Freund von Lothar hatte unabhängig von uns das Rätsel geknackt, es war “Mr. Google Earth” Stefan Sauerland. Ein uns wohlvertrauter Name – Wiedersehen macht Freude! :god1:

Das Gesuchte liegt nur einen knappen Kilometer nördlich der Mars Station und keine 200 m von der Piste entfernt, die weiter zum Hanksville-Burpee Dinosaur Quarry führt. Die genauen GPS-Koordinaten lauten 38.41426, -110.78534:

Dieses Foto hat mich ganz besonders fasziniert, denn hier wurde der anderorts so prominent in Szene gesetzte “Bentonite Hill” mal ausnahmsweise nicht angepinselt, sondern nur jener im Vordergrund. :D
Und traut grundsätzlich auch bitte keinen Video mehr, es ist unglaublich wie man sich selbst da farblich austoben kann. Am besten ihr schaut zuerst dieses gänzlich unverfälsche Video an (der gesuchte Lehmhügel erscheint bereits gleich zu Beginn!) und dann im Anschluss diese Kakochromie (hierzu muss man erst eine neues Wort erfinden, denn “Phonie” passt ja nicht). Wer genau hinschaut, sieht das Highlight abwechselnd mal in türkis, mal in grau (z.B. Minute 0:13 versus 0:20). Und bei einigen Einstellungen kann man sogar eine rosafarbene Sandpiste entdecken (bei 0:48). Diese “Coral Pink Sand Road” ist natürlich in echt eher mausgrau.

Dennoch ist die ganze Gegend dort traumhaft schön! Wir hatten im April 2019 lustigerweise rein zufällig direkt bei dem runden Hügel geparkt, weil wir uns die Stelle, an der Alex Noriega dieses Drohnenfoto aufgenommen hatte, genauer anschauen wollten. Und die ist ja dort gleich nebenan!
Blöderweise waren wir zu faul auf das hohe Rim hinaufzuklettern, daher gibt es von uns nur “normale Bodenansichten” (zu sehen hier). Zum Glück war aber Lothar neugierig genug. Und der Zufall wollte es, besagte Kuppe ist sogar auf seinem Foto zu sehen, es ist die recht unauffällig gefärbte links, die zweite von hinten. Der “Mugel” ist auch da eher GRAU, aber in keinster Weise so GRAUENHAFT wie auf all diesen türkis einfärbten Bildern und Videos…

Und bitte nicht falsch verstehen: Fotografen lieben es farbenfroh, auch wir helfen bei der Sättigung gern mal nach, keine Frage! Aber hier wird eine Grenze überschritten, die schon weh tut – und zwar nicht nur in den Augen. Die Badlands im Südwesten der USA sind von Haus aus kaum zu toppen hinsichtlich Farbenpracht und dennoch scheint die manchen nicht zu genügen…
Man stößt neuerdings im Web auch immer wieder auf Fotos, die im Querformat aufgenommen und anschließend ins Hochformat zusammengepresst wurden. Nur damit die Berge noch steiler wirken. Da staunt man angesichts der Vulkankegel, deren lockere Asche auch bei einer nahezu senkrechten Flanke nicht zu rieseln scheint. Das alles ist eine Modeerscheinung, ein neuer Trend, der mich unweigerlich an all die Schlauchbootlippen und entstellten Gesichter erinnert, die einem tagtäglich aus der Mattscheibe entgegenlächeln, sofern sie das dank gelähmter Muskeln überhaupt noch können. Ich schweife etwas ab, aber muss das alles wirklich sein…!?
Ist uns denn heutzutage Natur nicht mehr schön genug…!?