Einfach mal spontan nach Island…
2020 wird uns wohl ewig in Erinnerung bleiben als ein ganz “besonderes” Jahr – und das nicht gerade im positiven Sinne. Aber wir haben das Beste daraus gemacht und im Januar die Mandelblüte auf Gran Canaria fotografiert, im Frühling die heimische Natur entdeckt (u.a. im UNESCO-Biosphärenreservat) und im Herbst durften wir uns ins menschenleere isländische Hochland zurückziehen – 3,5 Wochen in eine ganz andere Welt (fernab von Corona) eintauchen und nicht nur das! Wir fühlten uns fast wie auf einer Zeitreise in ein Island von anno dazumal.
Wer sich nur unsere Aufnahmen anschauen möchte, der klickt am besten im Fotoarchiv auf “September” und “Oktober 2020”. Hier an dieser Stelle folgt nun ein recht langer Reisebericht mit allerlei Nebengeschichten und was mir sonst noch so am Herzen lag.
Unsere diesjährige Island-Reise legte einen recht holprigen Start hin. Eigentlich sollte es schon Mitte August losgehen, sicherheitshalber wollten wir aber erst kurz vor knapp buchen. Dafür war der Abend des 9. Augusts vorgesehen. An dem Tag bin ich (“Hans guck in die Luft”…) allerdings mittags beim Spazieren mit nicht gerade optimalem Schuhwerk auf einen spitzen Stein getreten und dabei umgeknickt (“Bauz gemacht in Bautzen”…). Am nächsten Morgen zeigte mir der Arzt das Röntgenbild mit gleich zwei Brüchen an der Basis des 5. Mittelfußknochens. Wandern könne ich nun 12 Wochen lang vergessen…! Zu allem Überdruss führte Island ab 19.8 eine 5- bis 6-tägige Zwangsquarantäne für alle Touristen ein. Beinahe hatten wir mit dem Gedanken an eine Reise schon abgeschlossen, aber es sollte doch noch alles anders kommen…
Vier Wochen waren seit meinem “Fauxpas” vergangen und der Fuß verhielt sich die ganze Zeit ausgesprochen unauffällig. Nur ein minimaler Bluterguss, nichts tat weh, kaum geschwollen, er befand sich zwar noch immer im VACOped-Schuh, aber so langsam wurde ich ungeduldig…
Hinzu kamen die euphorischen Nachrichten und die genialen Lichtstimmungen, die mir Michael aus seiner Covid-Quarantäne in Island schickte. “Quarantäne” klang so abschreckend und daher hatten wir diese auch kategorisch für uns ausgeschlossen. Beim aufmerksamen Lesen der Verordnungen wurde uns aber rasch klar, dass die isländische Variante rein gar nichts mit jener Quarantäne zu tun hatte, die hierzulande üblich war/ist. Man musste zwar während dieser Zeit in ein und demselben Quartier verweilen, aber man durfte es verlassen, mit dem Auto kurze Strecken fahren und in der Natur wandern gehen (Update: Die Regeln wurden inzwischen angepasst, Autofahren ist leider während dieser Zeit nicht mehr erlaubt!).
Wandern… das war ein gutes Stichwort! Als ich in der 5. Woche am 14. September wieder beim Arzt saß, sahen die Spalten zwischen den Knochenstückchen für meine Laienaugen nicht wirklich besser aus. Aber er schien dennoch zufrieden und daher konnte ich mir dann eine Frage nicht verkneifen. Ob ich denn in vier Tagen nach Island fliegen und dort ev. im Lauf der nächsten Wochen auch etwas herumwandern könnte…
Ein skeptischer Blick und breites Grinsen. Auch von Volker, einem lieben Freund und Orthopäden, kamen aufmunternde Worte. Ich dürfte alles bis zur Schmerzgrenze. Also haben Steffen und ich uns noch an dem Abend vor den Computer gesetzt und das gemacht, was wir noch nie getan haben: zwei Flüge in der Business Class gebucht. Die waren nicht wesentlich teurer und die Vorteile lagen auf der Hand:
- keine Einschränkungen beim Handgepäck – endlich konnte mehr Fotoequipment mit (u.a. das 12-mm-Objektiv) und auch auf den Computer wollte ich nicht verzichten als Notfall-Beschäftigung, falls mein Fuß doch nicht mitmachen und streiken würde
- zwei extra große Gepäckstücke mit ausreichend Platz für meine kleine Schuhauswahl (nein, nicht das übliche Frauenproblem … ich wusste ja nicht, was der Fuß so für Vorlieben entwickeln würde…) und ein zusätzlicher Koffer voll mit Fressalien für die Quarantäne (wir durften während dieser Zeit nicht einkaufen gehen und in Island kostet eh alles fast das Doppelte…)
- während des Flugs mehr Abstand zu anderen Passagieren und somit deutlich weniger hustende Leute in unserem näheren Umfeld
- und – last but not least – die Hoffnung, dass man bei Flugausfällen und Umbuchungen prioritär behandelt werden würde.
Und im Verlauf des Urlaubs sollten wir von anderen Mitreisenden noch erfahren, was für einen unschätzbaren anderen Vorzug es deswegen auch noch gegeben hat…
Umsteigen kam für uns in Corona-Zeiten nicht in Frage (schon in normalen Jahren fallen ab Dresden immer wieder Anschlussflüge spontan aus), daher entschieden wir uns ganz dekadent fürs “Valet Parking” in Frankfurt. Nur 113 Euro für 3,5 Wochen schien mehr als ein fairer Preis zu sein. Und es klappte alles reibungslos, das Auto wurde direkt am Abflugterminal ohne nennenswerte Wartezeit abgeholt und bei der Rückkehr schnell gebracht! “APark Tiefgarage”, über parken-und-fliegen.de gebucht, kann man also empfehlen.
Steffen und ich waren auch froh, dass wir unser schweres Zeug kaum herumschleppen mussten und rasch wieder loswurden. Beim Check-in staunten wir nicht schlecht: Unsere drei Kofferchen brachten ein Rekordgewicht von sage und schreibe 64,5 kg auf die Waage!
Wir waren sehr zeitig dran und neugierig auf die Lufthansa Business Lounge. Eigentlich existieren am Frankfurter Flughafen mehrere davon, aber es hatten alle geschlossen bis auf eine. Und die war ganz schön voll. So richtig wohl fühlten wir uns nicht, vor allem wegen einem nicht weit weg sitzenden und maskenlosen schottischen Dampfplauderer… Angesichts der Doppeltestungen in Island durften wir uns jetzt eine Woche lang unter gar keinen Umständen etwas einfangen!
Nach ein paar Cappuccinos, einigen Glaserln Sekt bzw. Prosecco (bei Steffen war es Bier), einem würzigen Chicken Curry, Studentenfutter, Bananen und allerhand mehr hoben wir um 21:50 Uhr ab und landeten überpünktlich um 23:30 Uhr in Keflavik (2 Stunden Zeitverschiebung!).
Bei der Ankunft am Zielflughafen geht es in Corona-Zeiten – anders als sonst – sehr gesittet zu. Abstand lautet die oberste Devise, die Reihen werden daher aufgerufen und einzeln aufgefordert das Flugzeug zu verlassen. Noch vor dem Duty Free Shop (unser Anlaufpunkt Nr. 1 bei jeder Islandreise ) und vor der Übernahme des Gepäcks, wird man durch die Covid-Teststationen durchgeschleust. Nach zwei Sekunden Herumstochern im Mund (harmlos) und in der Nasenhöhle (grauslich!) bekam man die Quarantäneanweisungen in allerlei Sprachen in die Hand gedrückt und dann hieß es mit dem Mietauto ohne Umwege das Quartier anzusteuern. Island begrüßte uns nicht wie erhofft mit Polarlichtern, im Himmel hatte man leider andere Schleusen für uns geöffnet… Vor uns lag noch eine längere Fahrt (knapp 220 km), so gegen 3 Uhr morgens hatte es zwar noch immer nicht aufgehört zu regnen, aber wir waren endlich im Kirkjufell Guesthouse angekommen und versanken sofort in unseren Kissen.
Am ersten Morgen war zunächst mal Ausschlafen angesagt. Einem ausgiebigen Frühstück stand auch nichts im Wege, denn der Kühlschrank war von den Unterkunftsgebern angefüllt worden. Die entsprechende Wunschliste hatte ich ihnen vor dem Abflug noch per E-Mail zukommen lassen und sie verrechneten uns nur den Warenwert. Das Einkaufen wurde kostenfrei übernommen.
Wir waren die einzigen Gäste und das Apartment war sehr neu, modern und ordentlich sauber. Und der Blick aus unserem Wohnzimmer fiel über die Bucht hinüber zum berühmten Kirkjufell, wir waren rundum zufrieden.
Im Vorfeld hatte ich allerlei Unterkünfte in Grundarfjördur kontaktiert. Michael seine einsame Hütte direkt unterhalb des Kirkjufell war bereits vergeben, aber ansonsten war alles frei und man hatte eher die “Qual der Wahl”. Bei 100 Euro für ein großes Apartment mit zwei Schlafzimmern und fantastischer Aussicht mussten wir allerdings nicht lange überlegen und entschieden uns fürs Kirkjufell Guesthouse.
Auch beim Mietauto kam man uns ordentlich entgegen. Auf halbe Wracks mit 400.000 km am Tacho hatten wir keine Lust, daher ging es diesmal zu Blue Rental Car, deren Flotte – laut Eigenwerbung – maximal 1 Jahr alt ist. Und ihr Angebot war für isländische Verhältnisse sehr fair: 108 Euro/Tag für einen Toyota Landcruiser mit Premiumversicherung ohne Selbstbehalt. Normal sind auf der Insel eher 140-200 Euro oder mehr. Dazu gab es noch den Zweitfahrer und Wifi geschenkt (beides immerhin auch knapp 350 Euro).
Am späteren Nachmittag trudelten die Testergebnisse ein, beide negativ wie erwartet, aber trotzdem eine (erste) Erleichterung. Und wir freuten uns, dass wir bereits am Mittwoch (23.9) zum 2. Test bestellt wurden, denn das bedeutete “ein Quarantäne-Tag weniger” als bei Michael. Das lag daran, dass er bei der Ankunft erst knapp nach Mitternacht getestet wurde. Aber – und das sollten wir erst zwei Wochen später bei unserer Eishöhlentour erfahren – unsere Sitze in der Business Class sind wahrhaft GOLD wert gewesen! Zwei Deutsche, die am Freitagabend im selben Flieger saßen, allerdings ganz hinten, durften erst am darauffolgenden Samstag zum 2. Test antreten. D.h., während wir uns nach 5 Tagen wieder frei bewegen durften, saßen die beiden bis zum 26.9 fest, also ganze 3 Tage länger! Einfach nur irre!
Wobei Steffen und mich hätte das bis auf den Supermarktbesuch nicht mal weiter gestört. Denn uns gefiel es auf Snaefellsnes und in dem Apartment so dermaßen gut, dass wir im Anschluss noch mehrfach verlängerten und in Summe 10 Nächte im Kirkjufell Guesthouse verbrachten (eine davon gab es dann sogar umsonst).
Wir waren schon immer große Fans von den weniger besuchten vulkanischen Gebieten auf dieser Halbinsel. Und die zwei Herbststürme taten ihr Übriges. Windböen in Orkanstärke werden sicher bei Besuchern keine große Begeisterung auslösen, auch bei uns nicht, aber dafür umso mehr das, was sich vor und nach solch Unwettern am Himmel abspielt. Das perfekte Drama für unsere Kameras – sagenhafte Wolkenstrukturen, irre Lichtstimmungen, Beams ohne Ende, Graupelschauer im 5-Minuten-Takt und nie mehr verblassen wollende Dauerregenbögen. Island wie aus dem Bilderbuch!
Wir durften auch erstmals erleben, wie riesige Wellen durch das kleine Loch des Gatklettur krachten, dem hübschen Felsbogen an der Küste zwischen Arnarstapi und Hellnar. Zu Draufgabe schien an dem Tag der Regenbogen gar nicht mehr verschwinden zu wollen. Über 2,5 Stunden war er sichtbar – verrückt! Außerdem wurde nicht nur der Zauberberg vor unserem Fenster immer wieder kurz angezuckert, sondern weite Teile der Halbinsel vorübergehend in ein herbstliches Winterwunderland verwandelt. Das bunte Laub auf den moosbedeckten Lavaflächen hat dort meist Mitte September seinen Peak, aber das viele Weiß dazu ist keine Selbstverständlichkeit zu dieser Jahreszeit. Die Dame im Besucherzentrum meinte, es kommt auch vor, dass der erste Schnee erst nach Weihnachten fällt…
Ich habe keine Ahnung mehr, wie oft wir in dem nicht weit von unserer Unterkunft entfernten Berserkjahraun herumgesprungen sind. Diese Gegend ist immer ein Traum, aber diesmal war sie wirklich nicht zu toppen! So gern wie wir haben sich auch Seeadler dort aufgehalten. Eine tolle Überraschung, denn dass diese Vogelart am Breidafjördur beheimatet ist und viele Paare dort erfolgreich nisten, wussten wir bis dato nicht einmal. Am Flüsschen versuchten zwei Seeadler ihr Glück beim Fischen, manchmal kreisten sie auch über unseren Köpfen. Einmal sogar mit ordentlichem Gekreische, als einer von ihnen von einer lästigen Krähe verfolgt wurde.
Gegen Ende der Quarantäne waren über 10.000 Schritte am Tag und etliche Höhenmeter für meinen Fuß kein Thema mehr. Erst am 24./25.9, nach der ersten tollen Polarlichter-Nacht, meldete er sich lautstark zu Wort. Auch wenn es nicht wirklich kalt war (wir hatten während des gesamten Urlaubs immer zwischen 0°C und 11°C!), so machte sich das stundenlange Ausharren nachts im Freien doch früher oder später bemerkbar. Ich fror und bin dann eine Zeit lang wild herumgehüpft, um meine Muskeln, Hände und Füße aufzuwärmen. Keine gute Idee…
“Che sera sera” lautete das Motto dieser in jeglicher Hinsicht speziellen Reise. Aber eines hatten wir nicht dem Zufall überlassen: Es gab einen ganz triftigen Grund, warum wir so kurz nach meinem Arztbesuch schon nach Island geflogen sind. Wir wollten unbedingt rechtzeitig vor der großen Polarlichter-Show wieder frei im ganzen Land herumfahren dürfen. Wenn es richtig kracht, will man auf gar keinen Fall auf der falschen Seite der Insel sein.
Vorausgesagt war ein Wiedersehen mit jenen koronalen Löchern, die in nördlichen Breiten schon im August für tolle Nächte gesorgt hatten. Die Sonne dreht sich in 4-5 Wochen einmal um ihre Achse und ab dem 25.9 sollte es daher erneut zu einer erhöhten Polarlichteraktivität kommen. Noch vor unserem Abflug lautete die 27-Tage-Prognose: 3 Tage kp=4 und ein Tag mit kp=5 (-> Erklärung zum kp-Index), ein G1-Sturm also wie wir ihn erst einmal im Winter 2014/15 erleben durften – der war unvergesslich!
Aber es sollte noch besser kommen: Kurz vor knapp wurde das ganze Event nochmal hinaufgestuft. Und tatsächlich war es dann sogar ein G2-Sturm mit 4 Tagen kp=4, 3 Tagen kp=5 und einem Tag kp=6 sogar, also über eine Woche lang fantastische Bedingungen, zumindest in der Theorie. Im Endeffekt waren es dann zwei ganz geniale Nächte mit Dauerfeuerwerk und zwei mit immer nur etwas kürzeren Shows. An den übrigen Tagen passte entweder die Ausrichtung der eintreffenden Sonnenteilchen nicht (dann gibt es keine Aurora!) oder es waren überall viel zu viele Wolken am Himmel. Aber die Polarlichter Langzeit-Vorhersagen der NOAA hatten wieder mal voll ins Schwarze getroffen und wir waren mehr als HAPPY!
Mit der Ankunft der solaren Stürme, beruhigten sich zum Glück auch endlich jene auf der Erde. Und bis zum Ende der Reise genossen wir eine manchmal schon fast unwirkliche Windstille. Über zwei Wochen lang ist so etwas doch eher selten auf dieser rauen Insel mitten im Atlantik!
Das waren einzigartige Bedingungen um allerlei Spiegelungen und das Herbstlaub zu fotografieren. Letzteres sah auch rund um den Gletscher Svinafellsjökull Anfang Oktober einfach nur traumhaft aus!
Das Wetter war noch erstaunlich mild, so dass wir uns sogar ein paar Mal etwas tiefer hinein ins Hochland wagten. Der Ausflug nach Veidivatn hat zwar nicht geklappt (die Seen und die Piste lagen unter einer weißen Schneedecke), aber wir sind einen Tag an der Markarfljótsgljúfur entlang spaziert, einem wunderschönen Canyon im südlichen Fjallabak, und hatten als krönenden Abschluss noch einen super Sonnenuntergang beim Einhorn-Berg Einhyrningur.
Zwei Mal sind wir bei den Schluchten oberhalb des Þakgil-Campgrounds herumgewandert. Noch nie hatte dort bei uns das Wetter im Sommer gepasst, umso verwunderlicher, dass es ausgerechnet Anfang Oktober endlich klappen sollte. Ob man den ganzen Weg hinauf bis an die Gletscherzunge ran gehen muss, da sind wir uns nicht sicher. Uns hat es dort hinten nur mäßig gefallen. Dafür konnten wir uns aber für die ganzen zerklüfteten, mit Hoodoos, Felsbögen und Fabelwesen gespickten Schluchten abseits der Wege umso mehr begeistern. Recht tricky fand ich allerdings eine kurze Passage entlang des gelb markierten östlichen Teil des Loop Trails. Kurz vor dem letzten Aufstieg zum Plateau, von dem man dann nicht nur den Myrdalsjökull sieht, sondern bei Schönwetter in der Ferne auch den Vatnajökull, verläuft der Pfad recht exponiert über einen Berggrat. Wenn man auf feinem Geröll herumrutscht, während es neben einem fast senkrecht runter geht, schlägt bei mir die Höhenangst zu. Mehr schlecht als recht habe ich es dann doch noch mit Steffens Hilfe geschafft, aber da werde ich sicher kein zweites Mal entlang gehen. Der Aufstieg im Westen hingegen ist gar kein Problem, ganz im Gegenteil, dort folgt der offizielle Rundweg einer breiten ehemaligen Jeep-Piste.
Wir sind gespannt, wie sehr sich diese Gegend während der kommenden Jahre verändern wird. So unberührt wie jetzt wird sie vermutlich nicht bleiben, denn kürzlich wurde der Bereich in der Ebene zwischen dem Gletscher und der Küste mitsamt der Monolithen Hjörleifshöfði an zwei Unternehmen zur Sandgewinnung verkauft (Link).
Und abends sollten noch weitere Schreckensmomente folgen. Schon auf der Hinfahrt in Richtung Þakgil war uns westlich von Vik das viele Geröll auf den Straßen aufgefallen. Aber tagsüber war da nicht viel los und wir hatten kaum Gegenverkehr. Das sollte sich dann auf dem Heimweg ändern. Denn nachts sind auf der Ringstraße jede Menge Lkws unterwegs, die alle Ortschaften mit frischen Lebensmitteln und anderen Konsumgütern versorgen. Auf den jeweils kilometerlangen Geröllabschnitten kamen uns nicht nur die mit ihrer Festtagsbeleuchtung blendenden Laster entgegen, sondern mit ihnen auch gleich immer ein grauenhafter Hagelschauer. Die Menge der Steinbrocken, die auf unser Auto eindonnerten, sah im Gegenlicht wahrscheinlich noch bedrohlicher aus, aber die zum Teil gut 2 cm großen Geschosse hinterließen natürlich ihre Spuren auf unserem schönen neuen Landcruiser.
Das muss man sich mal vorstellen: Steffen hat das Auto dabei immer in Richtung Graben eingelenkt und zum Stillstand gebracht, aber nicht mal so konnte man weitere Schäden abwenden. Am nächsten Abend leider dasselbe Spielchen, nur dass das lockere Geröll nun auf noch mehr Abschnitten lag und uns fast bis nach Hvölsvollur begleitete. Und eigentlich war nicht mal Gegenverkehr nötig. Die Unmenge an Steinen, die man bei Minimalstgeschwindigkeit selber in die Luft schleuderte, war gigantisch und nicht wenige davon landeten sogar auf unserer Motorhaube. Keine Ahnung wie das selbst im “Kriechtempo” geht!?
Auch den Lkw-Fahrern kann man keinen Vorwurf machen, sie sind da extra langsam gefahren! Schuld war nur die Art und Weise, wie in Island Straßen ausgebessert werden. Man haut einfach jede Menge Riesengeröll auf die Löcher drauf, verteilt es sicherheitshalber auch noch einige Kilometer weiter über den Asphalt und lässt das alles dann einfach unbefestigt herum(f)liegen. Verdichtet wird da nichts! Stattdessen verschüttet man anderorts etwas heißen Asphalt und lotst unmittelbar danach die Autofahrer darüber (unsere Reifen und Radkästen waren zugeklebt und schwarz!). Isländische Straßenbauarbeiten = CAR WRECKING ! Das war echt ein absolutes LOWLIGHT!
Jedenfalls wundern wir uns seither nicht mehr, dass alle paar Jahre Hunderte Autos auch wegen “tar bleeding” schwer beschädigt werden (Quelle oder Quelle, wobei ich das Foto hier am beeindruckendsten finde). Alles nur weil man an den Kosten für den Straßenbelag sparen wollte. Bei der #26 zwischen Hella und Hrauneyjar hatten wir uns letzten Sommer schon gewundert über die relativ frische Asphaltdecke, die großflächig einfach wieder von der Straße und in die Landschaft hinein geflossen war. Das sah aus! Schildbürger sind Profis dagegen…
Und weil das Wetter so schön mitspielte, wanderten wir auch nochmal zur roten Quelle des Raudfoss sowie zum gelben Pool, das sich stark verändert hatte. Es war mittlerweile eher von orange-grünem Travertin umgeben und das Wasser dürfte noch heißer geworden sein, da es deutlich blauer aussah (Vergleich 2013 und 2020). Allerdings sind wir auch richtig erschrocken. Wie rasch sich manche Dinge in nur wenigen Jahren verändern können! Und zwar leider bei beiden Orten. Das erste Mal, als wir dem surrealen roten Flussbett gefolgt waren, gab es gerade mal ein einziges Foto davon im Internet. Uns hatte ein Aufnahme von Orsolya Haarberg dazu inspiriert nach diesem Flussbett zu suchen und auf den Satelittenfotos weckte dann ein seltsam rundes Gebilde an dessen oberen Ende unsere Neugierde. Das sah sehr nach einer wunderschönen Quelle aus und es sollte die unberührteste, die wir je besucht hatten, sein. Das war ein unbeschreibliches Erlebnis. Wir haben das damals aber absichtlich nie an die große Glocke gehängt und keine Infos dazu veröffentlicht, weil das Moos am Weg so ziemlich das flauschigste und sensibelste war, das wir bis dato auf der Insel gesehen hatten. Heute ist es zum Teil niedergetrampelt, auch wenn der Weg vom Parkplatz bis zur Quelle inzwischen sogar ausgesteckt wurde. Vor 7 Jahren war dort keine menschliche Spur zu sehen, schon gar nicht ein Pfad oder ähnliches. Und ich befürchte, dass in absehbarer Zukunft mal ein Bretterweg und eine Plattform oberhalb der Quelle errichtet werden. Wohl der unabwendbare Lauf der Dinge…
Wunderschön ist es dort trotzdem noch immer! Ich würde die Tour allerdings mit etwas weniger Schnee und Eis bevorzugen. Wie man auf unserem alten Foto “Highland Spring” sieht, ist die Gegend den Sommer über schon um einiges grüner. Hinzu kam, dass die extra rutschigen und zum Teil großflächig vereisten Bereiche mit dem “kaputten” Fuß nicht so ohne waren. Ähnliches galt für den Abstieg in die Schlucht des Haifoss. Wahnsinnig beeindruckend! Nur die Dusche am Abend kann man sich danach getrost sparen!
Mein Fuß war dennoch tapfer, in der 8. Woche nach dem Knochenbruch hat er insgesamt über 70 km ohne Probleme zurückgelegt. Ich glaube, das ist alles andere als normal. Ich war einfach nur unendlich froh darüber!
Unbestrittenes Highlight neben den Polarlichter-Shows war die spontane Eishöhlen-Tour. Für unsere Tage an der Gletscherlagune Jökulsarlon hatten wir das Hali Country Hotel ausgewählt, da wir es von früher kannten und uns dort für keine 100 Euro ein eigenes großes Apartment angeboten wurde (im einzelnstehenden gelben Haus in Wassernähe). Eigentlich wollten wir uns zu Corona-Zeiten in Island in keinerlei Lokale hineinsetzen, unsere 4x Lieblingspizzas in Hvölsvollur gab es auch nur als “Take away”. Aber im Hali machten wir eine Ausnahme, denn man hatte uns das Frühstück kostenlos angeboten. Und da das Hotel außer uns nur noch 4 Gäste hatte, saßen wir eh immer ganz allein im Restaurant. Eines Morgens erzählte uns der ausgesprochen nette polnische Keller während des Frühstücks, dass Haukur von seinem Büro gleich nebenan bereits Eishöhlen-Touren anbot. Wir trauten unseren Ohren nicht, so früh im Herbst schon!? So kam es, dass wir am 30.9 ganz spontan eine wunderschöne blaue Ice Cave betreten durften.
Ich schrieb noch schnell eine E-Mail an Andreas, der uns zwei Tage zuvor während der Polarlichter-Show an der Jökulsarlon erkannt und angesprochen hatte. Er rief mich zurück, eilte auch noch herbei und gegen 13 Uhr ging es los zu fünft in einem kleinen 4WD-Bus. Etwas später als geplant, da es am Vortag stark geregnet hatte. Haukur wollte auf Nummer sicher gehen und warten bis der Fluss in der Höhle nicht mehr so groß ist und wir die besten Bedingungen dort drinnen haben. Er erinnerte sich noch an uns (wir hatten ihn 2015 in der Northern Lights Ice Cave fotografiert) und er zeigte uns auf dem Hinweg (etwa 1 km zu Fuß) einen großen Felsbrocken, der sich damals im Inneren der Höhle unterhalb des einzigartigen “Northern Lights-Eisdachs” befand (Foto). Absolut erschreckend! Die Gletscherzunge war in nur 5 Jahren um über einen 1/2 km zurückgewichen!
Haukur ließ uns viel Zeit zum Fotografieren und fragte uns dann noch, ob er sich denn im hinteren Teil der Eishöhle durch das Loch in der Decke für Fotos abseilen sollte. Wow, natürlich gerne, wir waren alle sofort hellauf begeistert! Wir hatten ja schon einige andere Tour Guides in Island, aber es gibt keinen, den wir so sehr empfehlen können wie ihn. Ein herzlicher und enthusiastischer Guide, der so richtig aufgeht in seinem Beruf! Für uns verdient sein Familienunternehmen “Glacier Adventure” definitiv das Prädikat “Best Ice Cave Tour in Iceland“.
Haukur engagiert sich auch für den Umweltschutz und unterrichtet Schulklassen aus aller Welt. Nach der Tour habe ich mich noch lange mit ihm unterhalten, auch über seine Zukunftspläne. So richtig rosig sieht es in Island nicht aus, nicht nur derzeit wegen Corona, sondern ganz allgemein. Die Gletschertouren im Sommer seien nicht so sehr das Problem, umso mehr aber die Eishöhlen. Wenn es den Winter über in der Umgebung der Jökulsarlon nur eine einzige gibt, die für Besucher leicht zugänglich ist, dann stürzen sich die Massen darauf. Dann stehen nicht – wie bei uns – fünf Leute darin, sondern Hunderte gleichzeitig. Ich möchte mir das gar nicht vorstellen!
Und auf meine Frage “Was wenn es mal gar keine Eishöhle geben sollte?”, nahm er mich mit in das Nebengebäude. Hier richtete seine Frau gerade ein neues Café ein, ein zweites Standbein also. Wir sind gespannt, das wird sicher nett und gemütlich!
Steffen unterhielt sich währenddessen mit den Tourteilnehmern. Die anderen zwei, die noch dabei waren, kamen nämlich aus Dresden! Und er arbeitete sogar ganz in unserer Nähe beim Intersport, wo wir schon oft waren! Die Welt ist echt ein Dorf!
Aber das war nicht der einzige lustige Zufall! Bereits auf Snaefellsnes trauten wir eines Abends unseren Augen kaum, als vor unserem Guesthouse ein Auto mit Dresdner Kennzeichen stand. Zu dem Zeitpunkt hatten wir unsere Quarantäne bereits beendet und durften neugierig sein. Es handelte sich um eine Physiotherapeutin aus Dresden, die den Sommer in Island verbracht hatte.
Für den Kellner, dem wir die schönen Stunden in der Eishöhle zu verdanken hatten, gab es am darauffolgenden Morgen ein ordentliches Trinkgeld! Er tat uns ohnehin leid, zumal er sich ab 1. November arbeitslos melden musste. Das sonst das ganze Jahr über so gut wie immer hoffnungslos ausgebuchte Hali Country Hotel sah sich gezwungen den Winter über die Türen zu schließen – zum ersten Mal seit seiner Eröffnung. Aussicht auf ausländische Gäste gab und gibt es keine, die Doppeltestung mitsamt Zwangsquarantäne schreckte doch so gut wie alle ab.
Aber gerade die Abwesenheit anderer Touristen machte unseren Urlaub dieses Mal so speziell. Wie eingangs schon erwähnt, es war wie eine Zeitreise in ein Island von anno dazumal. Denn wann sieht man heutzutage schon auf den Parkplätzen des Seljalandsfoss oder Skogafoss nur 1-2 Autos? Beim Kirkjufellfoss traf man meistens kein einziges an! Und die Blaue Lagune hatte sogar geschlossen und das an einem Sonntag!
Seit 2013 standen wir nie wieder allein zum Sonnenaufgang beim berühmten Geysir Strokkur. Dieses Mal auch nicht, aber es waren nur zwei Norddeutsche, die sich dorthin “verirrt” hatten. Auch überall sonst war die Insel wie leergefegt. Außer den in Summe dann 6 Deutschen sind uns keine anderen Ausländer aufgefallen. Island war somit wirklich der ideale Platz fürs “Social Distancing”. Wobei wir dann doch recht oft eine Ausnahme machten. Mit Andreas verbrachten wir noch viele gesellige Abende in unseren 4 Wänden, die wir nicht missen möchten (er wahrscheinlich auch nicht, weil er immer im kalten Auto geschlafen hat… ). Viele gemeinsame Hobbys und ausgesprochen interessant, was er als extremer Weltenbummler so aus fernen Ländern zu berichten hatte. Bei uns sind dadurch die Wunschziele nicht gerade weniger geworden!
Recht überschaubar hingegen blieb die Anzahl der unterschiedlichen Unterkünfte während dieser Reise: Den 10 Nächten im Kirkjufell Guesthouse folgten 4 Nächte im Hali Country Hotel Apartment und eine in den Cottages in Vik, dann noch 6 Nächte in Hvollsvöllur (Borg Apartments), zwei Nächte beim Geysir in einem “Minibunga” am Uthlid Campground und eine letzte im Flugzeug. Ich hatte mich hier im Blog ja schon mal über die Reisekosten in Island etwas länger ausgelassen. Aber diesmal kam alles anders und so preiswert waren wir dort vermutlich noch nie unterwegs: 900+96*4+95+77*6+117*2= 2.075 bzw. 94 Euro/Nacht. Und das obendrein auch noch komfortabel, denn in normalen Zeiten und zur Hochsaison kommt man für 200 Euro oft gerade mal in einem simplen Jugendherbergszimmer mit Gemeinschaftsbad unter. Diesmal hatten wir aber für deutlich weniger Geld immer eine eigene große Wohnung zur Verfügung. Luxus pur, den wir so von Island bislang noch nicht kannten!
Dass Island kurz vor unserer Rückkehr noch zum “Risikogebiet” deklariert wurde, war bis auf den Test bei der Ankunft am Flughafen Frankfurt (zum Glück nur ein Rachenabstrich!) nicht weiter schlimm. Und die ganzen Neuinfektionen spielten sich im Raum Reykjavik ab, in diese Stadt hat es uns nicht mal in normalen Jahren gezogen. Jetzt machten wir einen umso größeren Bogen darum. Mit nur einer Ausnahme, denn Steffen hat leider seinen Stativkopf demoliert. Es ging aber alles recht unkompliziert, ein Ersatz wurde telefonisch bestellt und war schnell abgeholt. Reykjavík Foto am Laugavegur 178 (herrliche Adresse, so heißt auch der berühmte Fernwanderweg im Hochland) kann man empfehlen!
Richtig erleichtert waren wir, dass unser Flieger wie geplant abhob. Denn da gab es diesen Sommer schon allerlei aberwitzige Umbuchungen. Einem guten Freund hat Icelandair zuerst die Reisepläne um einen Tag gekürzt, um ihn dann kurz vor knapp bekannt zu gegeben, dass der Rückflug abermals einen Tag früher stattfindet. Zu dem Zeitpunkt befand er sich noch auf der anderen Seite der Insel und musste zusehen, wie er es überhaupt rechtzeitig bis zum Flughafen schafft… Das mal abgesehen von den nicht mehr stornierbaren Quartieren usw. Wir hatten wirklich wahnsinnig Glück!
Und nun zu Hause blicken wir zurück auf die schönen unbeschwerten Wochen und sind UNENDLICH froh, dass wir in Corona-Zeiten so eine wunderbare Reise unternehmen konnten. Alles keine Selbstverständlichkeit und wer weiß, wann wir wieder weg dürfen! Aber wenigstens können wir jetzt noch eine gute Weile von den Erinnerungen zehren.